Marisa, unsere Nachbarin in Palma, lebt Jahr für Jahr im Herbst auf: „Jetzt beginnt die beste Zeit auf Mallorca. Nicht so heiß, gutes Wanderwetter, viel weniger Touristen,“ freut sich die Kindergärtnerin und spricht damit auch uns aus der Seele. Denn: Nach 25 Jahren als Zweitwohnsitzer auf der Baleareninsel ist dort längst der Winter zu unserer Lieblingsjahreszeit geworden.

Aber: Was heißt Winter auf Mallorca? Gut: Ein bis zweimal pro Jahr streifen Palma ein paar Schneeflockerl, solch kurzfristige Kälteeinbrüche geistern dann als Sensation durch die Weltpresse. Natürlich gibt’s im bis zu 1500 Meter hohen Tramuntanagebirge Winterliches, aber die Küsten- und Flachregionen erlebt man nach unserem Wetterempfinden als Dauerfrühling. Sprich: Im Dezember, Jänner, Februar oft Temperaturen von 15 bis 20 Grad Celsius, kurzärmelige oder -hosige Touristen sind da keine Seltenheit, an warmen Tagen wagen sich Hartgesottene sogar ins 15 Grad warme (kalte?) Mittelmeer.

Gut, Baden muss – brrrr – unsereins nicht, aber beim Küstenwandern die Hose hochstreifen und durchs Wasser waten, das hat schon was. Der im Hochsommer bis aufs letzte Fleckerl tourigefüllte berühmte Sandstrand von Es Trenc ist fast menschenleer und so ideal für eine Uferwanderung, mit kulinarischem Einkehrschwung in Colonia Sant Jordi.

Wunderbare Zeit zum Wandern

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In meinem Smartphone finden sich mittlerweile etwa 30 Notizen schöner Wanderungen: Entlang der atemberaubenden Steilküste zwischen Cala Pi und Cala Blava, durch bizarr romantische Olivenhaine zwischen Deia und Port de Sóller, durch Rosmarinfelder im Valle de Boquer nahe Port Pollenca, durch Orangen- und Zitronengärten im Sóller-Talkessel, am alten Postweg von Esporles nach Banyalbufar, um nur einige zu nennen. Bekanntester (Weit)Wanderweg ist der 150 Kilometer lange Gran Recordio 221, der in elf Etappen entlang der Westküste durchs Tramuntana-Gebirge mäandert, allerdings selektiv herausfordernd.

„Normalere“ Wandertipps holen wir uns bei mallorquinischen Freunden und – klar – im Internet. Die Komoot-App ist top, mit inselweit zig Wanderungen mit GPS-Unterstützung. GPS ist hilfreich, denn die Beschilderungen der Wege sind oft lückenhaft. Wandern ist (neben Golf) ein starkes Winterthema, Wein und Genuss sind das nächste. Die mallorquinischen Winzer haben seit unserem Erstbesuch im Jahr 1998 qualitativ enorm zugelegt, davon kann man sich bei Verkostungen auf 70 Weingütern ein Bild machen. Einer unserer Favoriten ist Ribas in Consell, immerhin das älteste Familienweingut Spaniens. Schnörkellos dichte, kräftige Weine, die auch der Falstaff lobt.

Inselspezialitäten wie die herzhaften Würste Sobrasada, Butifarra oder Camaiot, die bitteren Trencada-Oliven oder fettig-köstliche Aioli-Majonäse werden auf den täglich in mehreren Orten zu erlebenden Wochenmärkten nebst Obst, Gemüse, Keramik, Kunsthandwerk, Bekleidung usw. angeboten. Tipp: Der sonntägliche Markt im Weinort Santa Maria del Cami, mit anschließender Lammstelze im Restaurant Cuina N’Aina in Sencelles.

Plädoyer für Palma

Unser stärkstes Mallorca-Argument aber ist Palma: Mit seiner faszinierenden, spanisch-arabisch geprägten Altstadt und der berühmten Kathedrale La Seu. Auch im Winter sitzt hier bei sonnigem Wetter alles in den Gastgärten, die Einkaufstraßen und Märkte der 415.000-Einwohner-Hafenstadt brummen und die vielen schmucken Stadthotels sind günstiger als im Sommer. Und natürlich warm – feuchtkalte Quartiere, wie sie Georges Sand 1838 in ihrem Buch „Ein Winter auf Mallorca“ über den Aufenthalt mit Frédéric Chopin im Kloster von Valdemossa beschrieb, sind im Heizungszeitalter nicht mehr drin. Heute müsste sie wohl „(K)ein Winter auf Mallorca“ titeln.

PS: Sollte Ihnen in diesem Artikel das Wort Ballermann fehlen – dieser hat im Winter zu und er spielt auch sonst nur in diversen Medien und in Vorurteilen eine größere Rolle.