Zuletzt sah es nicht gut aus für das Projekt, mit dem die Weltmeere mittel- und langfristig von viel Plastikmüll befreit werden soll: "The Ocean Cleanup", ehrgeiziges Unterfangen des Niederländers Boyan Slat und seiner Unterstützer, musste kurzfristig deaktiviert werden. In der zweiten Augusthälfte war es dann so weit: Die Kinderkrankheiten von "System 001" alias "Wilson" sind behoben, das optimierte "System 001/B" schöpft wieder Kunststoffabfall an der Meeresoberfläche ab.
"The Ocean Cleanup" sieht weiter aus wie ein riesiges "U" mit einem Unterwassernetz. Das Grundprinzip blieb bestehen, allerdings setzte man zuletzt auf einige wesentliche Modifikationen, wie Jan van Ewijk, Sprecher von "The Ocean Cleanup", im Interview erklärt.
Herr van Ewijk, was bezwecken Sie mit "The Ocean Cleanup"?
Jan van Ewijk: Wir wollen die Ozeane von Plastik befreien. Unser Ziel ist es, bis zum Jahr 2040 den "Pazifischen Plastikmüllteppich", in dem wir gerade testen, zu 90 Prozent zu säubern. Danach wollen wir zu den anderen besonders betroffenen Gebieten. Im "Pazifikmüllwirbel" wollen wir einmal Dutzende Systeme gleichzeitig arbeiten lassen.
Wie kann man sich die grundlegende Funktionsweise des Systems vorstellen?
Van Ewijk: Dem Plastikmüll, der heute bereits sämtlich Weltmeere immens verschmutzt, mit Schiffen "nachzujagen" wäre viel zu kostspielig, aufwendig und zeitintensiv. Deshalb entwickelten wir ein passives System, das dem Lauf der Strömungen folgt: An einem großen Schwimmer ist ein durchlässiges Fangnetz angebracht. Dieses konzentriert den Müll, der schließlich von Schiffen abtransportiert wird.
Wie groß ist der Energieaufwand dafür?
Van Ewijk: Das Grundkonzept von "The Ocean Cleanup" ist es, die unterschiedlichen Geschwindigkeiten des Fangsystems und des umhertreibenden Plastiks zu nutzen. Berechnungen zufolge könnten wir mit einer Flotte von Fangapparaturen in fünf Jahren etwa 50 Prozent des "Pazifikmüllwirbels" beseitigen.
Was soll in weiterer Folge mit dem Plastikmüll passieren, den Sie aus dem Meer abgeschöpft haben?
Van Ewijk: Der soll an Land zurückgebracht und dem Recycling zugeführt werden. In weiterer Folge soll er mit speziellem Branding verkauft werden - mit den Erlösen daraus soll die Müllfangflotte weiter ausgebaut werden.
Sie waren zuletzt mit technischen Problemen konfrontiert, mussten sogar eine Zwangspause einlegen. Wie ist der aktuelle Status des Projekts?
Van Ewijk: Nach dem Sichten der Schwierigkeiten mit dem "System 001", quasi der Prototyp, begannen wir sofort mit der Problemlösung. Entsprechende Änderungen am Design wurden von unseren Konstrukteuren implementiert - und am 18. Juni 2019 wurde schließlich "System 001/B" in Betrieb genommen. Das Hauptproblem war die Geschwindigkeit des gesamten Apparats.
Können Sie das genauer erläutern?
Van Ewijk: Aufgrund der Wetterlage bewegte sich das "U" zunächst schneller als der Müllteppich auf der Meeresoberfläche. Möglicherweise bremsten dann aber Wind und Wellen das System ab. Über eine zusätzliche Konstruktion, eine Art Fallschirm mit Anker, können wir die Geschwindigkeit des Systems nun besser steuern.
Das war aber nicht das einzige Problem - oder?
Van Ewijk: Wir hatten zwei weitere Probleme: "System 001" konnte den Müll zwar auffangen, aber nicht festhalten. Den kritischen Zwischenraum zwischen dem Fangvorhang und den auf einer Linie aufgereihten Schwimmer-Elementen nennen wir "Twilight Zone" ("Dämmerungsbereich"). Dort entwich Plastik. Außerdem brach durch ein strukturelles Versagen der Schwimmer. Ein 18 Meter langes Stück trieb so vom Rest des Systems weg. Wichtig ist es jedenfalls auch, dass die Satellitenfunktion zu den Arbeitseinheiten durchgehend bestehen bleibt.
Wann wird das gesamte System voll funktionstüchtig sein bzw. wann ist Ihre Idee vollständig umgesetzt?
Van Ewijk: Hat sich System "001/B" einmal über mehrere Monate bewährt, arbeiten wir an der nächsten Generation mit weiteren Verbesserungen. Wir sind noch nicht ganz so weit, weitere Tests sind nötig.
Bekommen Sie Unterstützung von der Politik?
Van Ewijk: Das Problem mit offenen Meeren und dem Müll im Wasser ist, dass dieser Bereich gewissermaßen als Niemandsland angesehen wird. Keine Regierung sieht sich für sich genommen zuständig. Allerdings bekommen wir Unterstützung von der niederländischen Regierung. Außerdem arbeitet "The Ocean Cleanup" eng mit diversen Organisationen und Behörden zusammen - etwa mit der US-Küstenwache oder mit der "United States Environmental Protection Agency".
Was halten Sie von der jungen schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg und ihrer Agenda?
Van Ewijk: Als Organisation haben wir keine spezifische Meinung zu einer Person - aber: Gretas unermüdliche Anstrengungen, auf ein globales Problem hinzuweisen, sind natürlich sehr lobenswert.