Frau Gelbmann, bevor wir uns dem Plastik-Mythos widmen, blicken wir erstmal zwei Jahrzehnte zurück; hin zum Anfang der 1990er-Jahre: Getränkeregale waren randvoll mit Pfandflaschen, vor den Rückgabeautomaten bildeten sich lange Warteschlangen. Heute: ein Bild aus vergangenen Tagen. Wie ist es dazu gekommen?

Ulrike Gelbmann: 'Jemand der eine Verpackung in Verkehr setzt, sprich: etwas abpackt, ist verpflichtet diese Verpackung zurückzunehmen', so lautet das Grundprinzip der Verpackungsverordnung, die im Jahr 1993 in Kraft getreten ist. Von Anfang an war aber klar: Diese Idee ist nicht umsetzbar. Solche Mengen an Müll hin und her zu schleppen wird nicht funktionieren. Im Zuge dessen wurde ARA (Altstoff Recycling Austria) ins Leben gerufen, ein überregionales Sammelunternehmen, das sich dieser Müllverwertung zugeschrieben und Schritt für Schritt die Mehrwegsysteme aus dem Verkehr gezogen hat.

Was bedeutete das für den Handel?

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Von Beginn an galten Mehrwegsysteme als umständlich für den Handel. Der Druck, Mehrwegverpackungen aus den Regalen zu verbannen kam in erster Linie vom Handel selbst.

Wortwörtlich kam Erleichterung auf: Verpackungsgewicht und zeitlicher Aufwand sind gesunken, Einwegplastik im Handel angekommen. Wodurch wurde der damalige Alleskönner zum roten Tuch für die Gesellschaft?

Filme und Bilder gingen um die Welt, die für viele Abschreckung genug waren. Im Wasser treibende Sackerl, Meerestiere mit Plastikabfällen im Körper: Hauptsächlich war es das Plastik im Meer, das vielen zugesetzt hatte.

Der Handel hat die Mehrwegsysteme Schritt für Schritt aus den Regalen vertrieben
Der Handel hat die Mehrwegsysteme Schritt für Schritt aus den Regalen vertrieben © Alexander Danner

Gedanken, wie lange Plastik zum Verrotten braucht, machten sich die Wenigsten?

Plastik braucht 300 Jahre um zu verrotten, Glas genauso. Wieso der eine Stoff zum Hassobjekt geworden ist, der andere aber nicht, ist unerklärlich. In Österreich haben wir aber kein Problem mit Plastikmüll.

Wieso ist Österreich davon nicht betroffen?

Von 900.000 Tonnen Kunststoffmüll (ein Drittel davon durch Verpackungen), die wir in Österreich jährlich haben, wird der Großteil erfasst: knapp 30 Prozent werden recycelt, die restlichen 70 Prozent energetisch verwertet. Ein Problem haben wir lediglich mit Straßenabfällen, die nicht direkt erfasst werden können. Dieser Müll macht aber nur einen kleinen Teil aus. Deponien umfassen maximal 1 Prozent: da organische Stoffe in Österreich nicht auf Deponien kommen dürfen.

Woher also der Drang nach Alternativen?

Grundsätzlich ist jeder Stoff, der mehrmals verwendet werden kann, ein guter. Dass es sich dabei um Bambus, Baumwolle oder sonst was handeln muss, ist nicht zwingend notwendig. Verwende ich meine 'herkömmliche Zahnbürste' für drei Monate und entsorge sie dann entsprechend, kann ich das ohne Bedenken tun. Schließlich hat auch eine alternative Bambuszahnbürste ökologische Konsequenzen. Gegen eine hochwertige Nutzung von Kunststoffen ist nichts einzuwenden: Flugzeuge bestehen bis zu 50 Prozent aus Plastik, Medizinbedarf, 3D-Druck oder Digitalisierung wären ohne Plastik nicht denkbar. Kunststoffe sind geniale Stoffe, wenn sie dort eingesetzt werden, wo es Sinn ergibt.

Das heißt: Dort wo Plastik einen Nutzen bringt, sollte es verwendet werden. Wie sieht es mit Verpackungen aus?

Wichtig zu wissen ist: Einwegalternativen, sind keine Alternativen, dessen muss sich die Gesellschaft bewusst werden. Einwegglasflaschen oder gewisse Bio-Plastiksackerl haben 'normalen Plastiksackerl' nichts voraus, es wird nur falsch kommuniziert. Studien durch die Bank zeigen, die ökologisch beste Lösung für Getränkeverpackungen sind Mehrwegkunststoffflaschen aus PET, die sogar recycelbar sind. Eine Mehrwegglasflasche verbraucht im Gegensatz dazu sehr viel Energie beim Transport, aufgrund ihres Gewichts. Denn nur, weil eine Sache aus Kunststoff ist, ist sie nicht automatisch bösartig. Grundsätzlich gilt: Eine Verpackung, die man nicht verwendet, ist eine gute Verpackung. Ersetzt man aber eine Verpackung unreflektiert durch eine andere, ist das ökologisch nicht notwendigerweise besser.

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