Maria Magdalena, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome machten sich „am ersten Tag der Woche in aller Frühe“ auf den Weg zum Grab Jesu. Besorgt fragten sie sich, wer ihnen wohl den schweren Rollstein wegwälzen würde. Als sie die Stadt Jerusalem hinter sich ließen und einen freien Blick auf den ausgedienten Steinbruch von Golgotha hatten, wo es mehrere Gräber gab, bemerkten sie: Kein Stein versperrte ihnen mehr den Zugang zum Grab. Irgendjemand hatte ihn bereits zur Seite gerollt. Der Evangelist Markus berichtet, dass die Frauen die Grabkammer betraten und „auf der rechten Seite einen jungen Mann sitzen“ sahen. „Da erschraken sie sehr“, er aber versuchte sie zu beruhigen: „Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier.“

Eine Auferstehung war für die Frauen ein völlig unbegreifliches Ereignis. Das Einzige, womit sie vermutlich etwas anfangen konnten, waren die Totenerweckungen, die Jesus an der Tochter des Jairus, an dem jungen Mann von Nain oder an seinem Freund Lazarus vorgenommen hatte. Damit war aber stets verbunden gewesen, dass die Toten nach dem Wunder Jesu ihr Leben in ihrer bisherigen Gestalt fortsetzten. Aber davon konnte an diesem Morgen keine Rede sein. Der „neue Jesus“ war nicht mehr der alte. Die erste Reaktion der Jünger, denen der Auferstandene erschienen war, wird oft mit dem Satz wiedergegeben: „Sie erkannten ihn nicht.“ Maria von Magdala glaubt sogar, einen Gärtner vor sich zu haben (Joh 21). Als sie den „Rabbuni“, den „Meister“, dann doch erkennt, geht dieser zu ihr auf Distanz: „Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen.“

Das offenbar veränderte Aussehen des Auferstandenen und diese Worte lassen vermuten, dass Jesus nicht in eine irdische Realität zurückgekehrt ist, sondern sich am Weg in eine himmlische, transzendente Sphäre befand. Dies musste die Frauen verstört haben, denn für sie war klar, dass die Auferstehung von den Toten erst in der messianischen Zeit, am Tag des Jüngsten Gerichts, am Ende der Zeiten kommen werde. Genau dies hatte Jesus sie auch gelehrt: „Die Stunde kommt, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören und herauskommen werden: Die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, werden zum Gericht auferstehen. (Joh 5, 28). Für alle, denen Jesus erschienen ist, war die Auferstehung also ein Ereignis, das sie nicht verstehen konnten, da es sich erst in der messianischen Endzeit ereignen würde.

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Auf jeden Fall – und das berichten die Evangelisten übereinstimmend – war das Grab Jesu am Sonntagmorgen leer. Es ist aber nicht der fehlende Leichnam Jesu, sondern es sind die Erlebnisse der Jüngerinnen und Jünger, die den Osterglauben begründen. Was ihnen widerfuhr, überstieg zunächst ihren gesamten Erfahrungshorizont. Ihnen stellte sich deshalb die Frage: Wie kann man etwas beschreiben, wofür es keine Sprache gibt? So versuchten sie aus ihrem kulturellen Kontext heraus, zu schildern, was sie erlebt hatten: das mehrfache Erscheinen Jesu nach seiner Grablegung. Diesen Einbruch von Transzendenz in ihr tägliches Leben beschrieben sie schließlich mit dem Begriff „Auferstehung“. Der deutsche Religionsphilosoph Jörg Lauster erläutert: „Die Annahme einer solchen Transzendenzerfahrung ist zwar nicht zu beweisen, aber andererseits ist es historisch keineswegs absurd oder unvernünftig, davon auszugehen, dass es etwas gegeben haben muss, worauf der christliche Auferstehungsglaube die Antwort darstellt.“

Wie muss man sich die Auferstehung vorstellen?

Nur mit dieser Erfahrung von Jenseitigkeit im Diesseits ist die Entstehung des Christentums zu erklären. Mit dem Tode Jesu am Kreuz war nämlich zunächst alle Hoffnung zu Ende gewesen. Aber „wider alles Erwarten folgten auf das Kreuz Ereignisse, die das Ende aufhoben und einen neuen Anfang sichtbar machten“, so Lauster.

Die Auferstehung sei aber nicht die Wiederherstellung unseres bisherigen körperlichen Lebens, schreibt Peter Trummer, emeritierter Professor für neutestamentliche Bibelwissenschaften der Universität Graz in seinem Buch „Auferstehung jetzt – Ostern als Aufstand“ (Herder, 2016): „Vielmehr bedeutet Auferstehung unsere volle und letztgültige Annahme durch Gott.“ Diese Auferstehung „gilt unserer Person und nicht unserem irdischen Leib, wie wir es uns mit unseren selbstgebastelten Definitionen von Auferstehung nun einmal ausgemalt haben.“

Dieser unverbrüchliche Glaube an die „Auferstehung“ Jesu, die vermutlich besser als „Auferweckung“ Jesu durch den Schöpfergott bezeichnet werden sollte, gab den ersten Christen die Sicherheit und die Kraft, diesen Jesus als Messias zu bezeugen. Sie glaubten so fest an ihn, dass viele von ihnen für ihn in den Märtyrertod gingen. Freilich: Auch die Evangelisten lassen durchblicken, dass es immer Zweifler an der Auferweckung gab. Etwa den Apostel Thomas, der auf die Nachricht der übrigen Apostel, sie hätten den Herrn gesehen, antwortet: „Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“

Eine "Gegenkraft, die seelisch vom Boden aufhebt"

Thomas zweifelte vor 2000 Jahren, viele – auch überzeugte - Christen tun dies heute noch. Die Auferstehung überfordert ihr aufgeklärtes Denken. Damit ist klar: Christliche Auferstehungshoffnung ist immer überwundene und durchbrochene Skepsis. Bischof Egon Kapellari formuliert: „Die Botschaft des christlichen Osterfestes sagt, dass einer nicht ins Nichts hineingestorben ist, wie es den Anschein hatte. Dass er sich auf eine neue Weise als lebend erwiesen hat und dass er jenen, die sich an ihn halten, eine Kraft gibt. Sünde, Krankheiten – alles, was zu Boden zieht – sind deshalb nicht abgeschafft, aber der Osterglaube ist eine Gegenkraft, die seelisch vom Boden aufhebt.“

In diesem Sinne wäre es nur folgerichtig, wenn Christen im Westen nicht von der Grabeskirche, sondern wie die Orthodoxie von der „Anastasis“, der „Auferstehungskirche“, sprechen würden. Denn dieser Ort zeugt nicht von einem statischen Ende, sondern von einem bewegten Neubeginn.

Wolfgang Sotill kennt Israel und die Bibel wie nur wenig