Seidenhuhn
Seidenhuhn © Juergen Fuchs

Manchmal kommt man um geflügelte Worte nicht herum. Das Schauspiel, das sich hier anbahnt, läuft ziemlich sicher unter dem Motto „Klasse statt Masse“ ab: Es erscheint ein zartes Beinchen auf der Rampe nach außen, es folgt ein zweites und was danach kommt, schaut ein wenig wie eine Operndiva im Mini-Format aus. Ist das Tier echt? Nie war das Wort Federkleid stimmiger, denkt man. Mit viel Grandezza setzt das Huhn seinen Auftritt fort. Diese Eleganz, die ist einem vermutlich ins Nest gelegt, wenn man eine Zwerg-Paduaner-Henne ist. Aber es kommt noch etwas dazu, was ihre Besitzerin, Isabella Kerschbaumer, als „Charakter“ bezeichnet. Das klingt auf den ersten Blick erst einmal ungewöhnlich, weil man dieses Wort gerne bei Hunden oder Katzen sagt und so eine persönliche Aufwertung erzeugt. Aber beim Nutztier? Das ist eine Brücke, über die man lieber nicht geht, weil das mit der Nähe und dem einseitigen Nutzen eigentlich nichts als schlechtes Gewissen macht. Gerade das Huhn, das im Vergleich zu den großen Säugetieren nur „soooo herzig!“ ist, wenn es gerade geschlüpft ist. Das über kein Kindchenschema verfügt, keine großen Augen hat. Im Gegenteil, der einäugige Blick in Schieflage erinnert mehr an einen Piraten, der dir mit seinem durchdringenden Blick recht eindeutig zu verstehen gibt: Ich weiß genau, dass du in dieser Woche schon zu viele Frühstückseier hattest. Das ist so das übliche geschlossene System der Nutztierhaltung, in dem man als Konsument gerne mitschwimmt. Bis man dann beim Ursteirerhof nahe Markt Hartmannsdorf wieder auftaucht: ein alter, umgebauter Bauernhof, einst Lebensgrundlage der Großeltern, jetzt Lebensader von Enkelin Isabella, ihrem Mann Peter und den fünf Kindern.

Kontinuierlich expandiert

Seit Anfang 2015 züchten sie hier Rassehühner. Über die Jahre wurde kontinuierlich expandiert und vor allem Erfahrung gesammelt. Rund 200 Hühner von 16 unterschiedlichen Rassen tummeln sich derzeit am hügeligen Anwesen mit Rundumblick. Wobei auch der Weitblick Teil des Arbeits- und Lebenskonzeptes ist, so Peter Kerschbaumer: „Wir arbeiten hier kleinstrukturiert, dass es den Tieren gut geht und dass der gesamte ökologische Zusammenhang passt.“

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Sulmtaler Huhn
Sulmtaler Huhn © Juergen Fuchs

Zwar werden auch „normale“ Bio-Eier verkauft, der Schwerpunkt liegt aber auf den Bio-Bruteiern unter anderem von Rassen wie Schwedische Isbar, Sulmtaler Huhn, Mooshuhn oder Marans aus Frankreich. „Da wir auf Bruteier ausgelegt sind, haben wir Zuchtgruppen, mit jeweils einem Hahn und zwischen drei und zehn Hennen“, führt uns Isabella Kerschbaumer zu den Tieren.Die Anlage erinnert an eine pittoreske schwedische Ferienhaussiedlung. Die Hühnerställe aus Holz hat Schweden-Fan Peter Kerschbaumer selbst gezimmert und rot angemalt. Noch muss der Frühling erst in die Gänge kommen, das gilt auch für die Hühner, die nur vereinzelt zu sehen sind. Das mag vielleicht daran liegen, dass unser Fotograf mit Nachnamen ausgerechnet Fuchs heißt, ist aber wohl mehr den letzten Schneeresten geschuldet. Nur die Schwedischen Isbar tummeln sich draußen – Skandinavier eben.

„Wir halten uns an den Jahresrhythmus, sodass die Hennen auch Legepausen haben. Sie kommen im Herbst in eine natürliche Mauser, wo sie die Federn verlieren und zwei Monate nicht legen. Dadurch kostet das Ei aus so einer Haltung natürlich mehr“, beschreibt Isabella Kerschbaumer die Hausregeln am Hühnerhof. Doch schon bald ist es mit der Winterruhe vorbei.

Hochbetrieb im Sommer

Vor allem im Sommer ist Hochbetrieb am Hühnerhof: „Mit 120 Stunden Arbeitsaufwand ist in der Hochsaison schon zu rechnen“, so Isabella Kerschbaumer. Man steht mit den Hühnern auf, geht aber nicht gleichzeitig mit ihnen schlafen: „Gewisse Dinge kann man erst in der Nacht erledigen, wenn die Hühner auf den Sitzstangen sitzen. Im Sommer ist das oft erst um 23 Uhr.“

Und noch eine Art Mitarbeiter ist am Hof viel beschäftigt: der Brutapparat. Ein ganz leises Brummen geht von ihm aus, fast so, als würde er die zerbrechliche Fracht beruhigen wollen. In seinem Inneren zeigt sich die gesamte Farbenvielfalt an Eiern, die die Hühner des Ursteirerhofes so legen. Für Isabella Kerschbaumer ist das täglich aufs Neue spannend: „Diese Vielfalt fasziniert mich: Von grün über weiß bis braun und beige, rosa bis dunkelrot und rotbraun. Mit oder ohne Punkte, groß und klein.“ Die 37-Jährige holt eines der Eier aus dem Brutschrank, schaltet das Licht aus. Mit einer Taschenlampe beleuchtet sie ein Ei, das seit fünf Tagen im Brutschrank ist: Es leuchtet warm orange, rote Äderchen durchziehen das Ei, das Leben ist erwacht. Gleich daneben sind gerade Küken geschlüpft, die Natur ist meist pünktlich: Es sind 21 Tage. Längst hat die Zahl der Käufer und Interessenten zugenommen, die selbst zu Hühnerhaltern geworden sind.

Ihre Erfahrung geben Isabella und Peter Kerschbaumer in Kursen für Anfänger und Fortgeschrittene weiter. Viele davon beziehen ihre Bruteier vom Ursteirerhof. Die Eier werden im Inland, aber auch ins Ausland verschickt. Wer sich jetzt fragt, wie man ein rohes Ei behandelt? Als wäre zu Ostern plötzlich Weihnachten zurückgekehrt. Dick verpackt geht es ab zur Post. Denn die Flügel, die wachsen erst später. 

Isabella und Peter Kerschbaumer vom Ursteirerhof
Isabella und Peter Kerschbaumer vom Ursteirerhof © Juergen Fuchs