Das 2. Erwachsenenschutzgesetz brachte im Juli 2018 einen Paradigmenwechsel, aus Sachwalterschaft wurde Erwachsenenvertretung, und die "gerichtlichen Erwachsenenvertretungen", in denen das Gericht einen Vertreter bestimmt, werden immer weniger. Im fünften Jahr der Reform habe sich die Erwachsenenvertretung als Meilenstein in der Selbstbestimmung von Betroffenen bestätigt, betont der Verein Vertretungsnetz, der sich aber auch sorgt: Die Zahl der Erwachsenenvertretungen insgesamt steige nämlich, es brauche mehr Unterstützung. Lesen Sie hier, warum es in Österreich keine Entmündigung gibt.

Vier-Säulen-Prinzip der Erwachsenenvertretung

Grundsätzlich sieht das Erwachsenenschutzrecht vier Formen bzw. Säulen der Vertretung vor. Das letzte Mittel der Wahl ist dabei die gerichtliche Erwachsenenvertretung. Die aufrechten "gerichtlichen Erwachsenenvertretungen" sind ausgehend von einem Höchststand bei 57.400 auf aktuell 36.400 zurückgegangen (Stand Jänner 2023). Dies sei auch eines der großen Ziele der Reform gewesen, so der um Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung engagierte Verein. Seither werde in jedem neuen Verfahren von den Erwachsenenschutzvereinen abgeklärt, ob eine gerichtliche Vertretung wirklich gebraucht wird. Laut Vertretungsnetz kommt man in vier von zehn Fällen nach Prüfung der Lebensumstände zum Ergebnis, dass eine solche nicht nötig ist – zum Beispiel, weil Unterstützung aus dem sozialen Umfeld verfügbar oder eine andere Form der Vertretung möglich ist. Lesen Sie hier, welchen Handlungsspielraum ein Erwachsenenvertreter hat.

Gesetzliche Erwachsenenvertretung

Eine weitere Säule im System und eine Alternative zur "gerichtlichen Erwachsenenvertretung" ist die "gesetzliche Erwachsenenvertretung". Sie entspricht im Wesentlichen dem, was ehemals „Vertretung naher Angehöriger“ genannt wurde, ist auf drei Jahre begrenzt und wird vom Gericht kontrolliert. Dabei kann sich eine Person aus einer genau definierten Gruppe von Angehörigen als gesetzlicher Vertreter einer Person eintragen lassen, es gibt dabei keine bestimmte Reihenfolge: Der Gesetzgeber sieht vor, dass sich die Familie selbst auf einen Vertreter einigt. Wo das nicht möglich ist, kommt wohl keine gesetzliche Erwachsenenvertretung infrage. Seit Juli 2018 wurden österreichweit rund 23.400 solcher Vertretungen etabliert. "Gesetzliche Erwachsenenvertretungen lassen jedoch kaum mehr Spielraum für Selbstbestimmung als gerichtliche Vertretungen", mahnt man beim Vertretungsnetz. Lesen Sie hier, wie weit die Rechte Angehöriger als Vertreter gehen.

Um zu verhindern, dass man in so einer Situation von einem Verwandten vertreten wird, den man dafür niemals ausgesucht hätte, gibt es seit 2018 auch die Erwachsenenvertreterverfügung. Mit dieser regelt man nur, wer der eigene Vertreter sein soll, ohne die Details auszuformulieren. Auch dieser Vertreter ist gerichtlich kontrolliert. Die Registrierung übernehmen Vertretungsnetz, Notare und Anwälte.

Zu wenig Unterstützungsangebote

"Mit Sorge beobachte man, dass die Anzahl der gesetzlichen und gerichtlichen Erwachsenenvertretungen in Summe im Vergleich zur Zahl der früheren Sachwalterschaften um rund 13 Prozent angestiegen ist", hieß es seitens des Vertreternetzes gegenüber der APA. Zu dieser Entwicklung komme es nicht zuletzt deshalb, weil es zu wenig Unterstützungsangebote vonseiten des Bundes, der Länder und Gemeinden gibt, damit Menschen mit psychischer Erkrankung oder intellektueller Beeinträchtigung auch ohne Erwachsenenvertretung zurechtkommen.

Noch bis Ende 2023 werden auch alle "alten Sachwalterschaften", die schon vor 2018 bestanden haben, auf ihre Notwendigkeit überprüft. In jedem fünften Fall kann das Vertretungsnetz eine Aufhebung empfehlen. In Summe bestanden mit Jahresanfang rund 66.570 Erwachsenenvertretungen in Österreich – gesetzliche und gerichtlich angeordnete sowie selbst gewählte.

Gewählte Erwachsenenvertretung

Denn in bestimmten Fällen, etwa wenn aufgrund einer intellektuellen Beeinträchtigung oder einer beginnenden Demenz, aufgrund einer plötzlichen Erkrankung oder nach einem Unfall die Entscheidungsfähigkeit – leicht – eingeschränkt ist, kann man eine gewählte Erwachsenenvertretung errichten. Sie wurde sozusagen als "Vorsorgevollmacht light" für alle eingeführt, die noch artikulieren können, von wem sie vertreten werden wollen und – zumindest in groben Zügen – auch in welchen Angelegenheiten. Damit hätten wir die 3. Säule in der Erwachsenenvertretung. Diese Vereinbarung ist unbefristet, kann aber jederzeit widerrufen werden. Ansprechpartner in dieser Sache sind Notare, Anwälte und der Verein Vertretungsnetz. Rund 6800 gewählte Vertretungen gibt es bereits österreichweit, Tendenz steigend. Rund 65 Prozent wurden bei einem der vier anerkannten Vereine errichtet, rund 3700 davon beim Vertretungsnetz.

Vorsorgevollmacht

Wer nach dem idealen Instrument sucht, um völlig ohne Not und Zeitdruck bei einem Notar oder Rechtsanwalt festzulegen, wer genau in exakt welchem Umfang in eigenen Angelegenheiten entscheiden soll, wenn man selbst einmal nur noch bedingt oder gar nicht mehr dazu in der Lage ist, wird bei der Vorsorgevollmacht fündig. Die Expertinnen und Experten vom Vertretungsnetz raten zu dieser Säule in der Erwachsenenvertretung: "Man sollte jedenfalls nur jemanden bevollmächtigen, zu dem man ein Vertrauensverhältnis hat."  Die Vollmacht wird erst wirksam, wenn ein ärztliches Attest den Verlust der Entscheidungsfähigkeit bescheinigt, und kann jederzeit widerrufen werden.