Worte sind mitunter brutale Waffen, die gerade im Internet gern ohne Rücksicht auf Verluste eingesetzt werden. Aber wie viel an Beleidigung, Schmähung und Bloßstellung muss man sich eigentlich gefallen lassen, bis man sich rechtlich dagegen wehren kann? „Liegt eine Straftat vor, ist es in der Regel einfacher, sich zu wehren. Aber schon die Frage, ob überhaupt strafbares Verhalten vorliegt, kann mitunter schwierig sein. Es geht hier immer um eine Erheblichkeitsschwelle, eine Verletzungsintensität, die erreicht sein muss,“ sagt dazu der Wiener Rechtsanwalt Wolfgang Gappmayer, der sich auf Opferrechte spezialisiert hat.
Wann diese Erheblichkeitsschwelle überschritten ist, ist leider nicht ganz klar. „Die einen meinen, dass es dabei um einen besonders massiven Fall von Persönlichkeitsverletzungen gehen muss. Nach dieser Ansicht reicht es nicht aus, dass jemand einen anderen ,Trottel‘ nennt. Andere sehen das anders. Der Gesetzgeber geht aber offensichtlich sehr wohl davon aus, dass schon besonders krasse und herabwürdigende Schimpfwörter die Schwelle der Erheblichkeit überschreiten“, erklärt Gappmayer. Außerdem würden auch Äußerungen, die ohne sachliche Gründe darauf abzielen, einen Menschen verächtlich zu machen, die notwendige Erheblichkeit aufweisen. „Das ist dann der Fall, wenn einem Opfer das Recht auf Menschsein schlechthin abgesprochen wird. Auch kann die Schwelle erreicht sein, wenn jemand einen anderen einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht.“ Viel Judikatur zu dieser Thematik gibt es allerdings nicht.
Was man unbedingt wissen muss: Für Menschen, die mit derartigen Äußerungen konfrontiert sind, gibt es Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten. „Das geht so weit, dass Prozessbegleitung gewährt werden kann, worauf einen Polizei oder Gericht beim Erstkontakt hinweisen müssen. Opfern wird dann eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt und eine Psychologin oder ein Psychologe beigestellt, die in diesen Situationen helfen und begleiten. Liegen die Voraussetzungen dafür vor, besteht dieses Angebot kostenlos. Diese Begleitung ist auch vor Anzeigenerstattung möglich“, wie der Rechtsanwalt betont.
Der zweite wichtige Punkt: Wenn die Erheblichkeitsschwelle heute noch nicht erreicht ist, bedeutet das nicht, dass dies nicht morgen der Fall sein kann. Deshalb Gappmayers Rat: Jede einzelne Belästigung oder Beleidigung dokumentieren und Screenshots machen. „Eine einzelne Äußerung kann für sich genommen eine unerhebliche Verletzung darstellen, in ihrer Gesamtheit aber eine Verletzungsintensität erreichen, bei der rechtliche Hilfe möglich wird.“
Neben der strafrechtlichen Komponente bei Hass im Internet, gibt es freilich auch noch die Möglichkeit, sich zivilrechtlich zur Wehr zu setzen, um einen „Unterlassungsauftrag“ eines Zivilgerichts gegenüber dem Täter zu erwirken, mit dem etwa die Löschung eines Hasspostings durchgesetzt werden kann. Freilich braucht es auch dafür ein Überschreiten der sogenannten Erheblichkeitsschwelle.
Die gute Nachricht: Betroffenen steht mittlerweile ein Verfahren (Mandatsverfahren gemäß Paragraf 549 der Zivilprozessordnung) zur Verfügung, das recht unterschwellig funktioniert. Um es einzuleiten, ist bei schwerwiegenden Beleidigungen oder „Persönlichkeitsrechtsverletzungen in einem elektronischen Kommunikationsnetz“ nur ein Formular auszufüllen und beim Bezirksgericht einzubringen. Übrigens: Schon das Teilen von Hasspostings kann rechtswidrig sein und den Anspruch auf Unterlassung begründen.
Ist an einem Fall strafrechtlich etwas dran, kann man sich auch zivilrechtlich leichter zur Wehr setzen. Ist dies nicht der Fall, steigt auch das Risiko, den Prozess zu verlieren und auf den Kosten sitzen zu bleiben. „Wenn Sie verlieren, stärkt das den Gegner“, erklärt Gappmayer, warum es so wichtig ist, sich genau zu überlegen, welchen Weg man gehen möchte. „Deshalb ist auch gut geschultes Polizeipersonal so wichtig, das Betroffene auf vorhandene Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten hinweist.“ Schließlich ist die Situation von Opfern, auch wenn die Erheblichkeitsschwelle im Einzelfall noch nicht erreicht ist, extrem belastend.