Sich „ein bisschen krank“ in große Gesellschaft zu begeben, mag früher einmal vertretbar gewesen zu sein, in Zeiten der Pandemie stellt sich allerdings die Frage: Wo beginnt dabei die vorsätzliche Gefährdung von Mitmenschen? Kann so ein Verhalten auch eine Straftat sein? Der Grazer Rechtsanwalt Harald Christandl sagt dazu: „Grundsätzlich regeln die Paragrafen 178 und 179 des Strafgesetzbuches die vorsätzliche oder fahrlässige Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten.“ Der Zweck dieser Regelungen liege in der Epidemiebekämpfung, die Krankheit müsse dabei anzeige- oder meldepflichtig sein, was bei Covid-19 ja der Fall ist.
„Strafbar sind nach diesen gesetzlichen Vorgaben alle Handlungen, welche die Weiterverbreitung einer derartigen Krankheit verursachen“, wie der Jurist betont. Dabei komme es nicht darauf an, ob tatsächlich jemand durch die Handlungen des „Täters“ angesteckt wird.
„Essentiell für ein strafbares Handeln sind die subjektive Tatseite des Täters bzw. der Täterin und deren Beweisbarkeit“, erklärt Christandl. Das heißt: Das entsprechende Verhalten muss vorsätzlich oder zumindest fahrlässig gesetzt werden. Die betreffende Person muss es also zumindest ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden, dass ihr Verhalten zur Verbreitung der Krankheit beiträgt. „Weiß sie hingegen nichts von ihrer Erkrankung, ist eine vorsätzliche Begehung der Tat nicht möglich.“
Hoffen, dass nichts passiert
Im Fall der fahrlässigen Begehung – hier hofft die möglicherweise kranke Person, dass nichts passiert - könne man sich allerdings strafbar machen, wenn man von seiner Erkrankung und der Gefährlichkeit seiner Handlung wissen sollte oder zumindest davon hätte wissen können. Christandl: „Wer also - auch ohne getestet worden zu sein - den Verdacht hegt, selbst an Covid-19 erkrankt zu sein, etwa weil er einschlägige Symptome an sich bemerkt, handelt bereits dann rechtstheoretisch vorwerfbar, wenn er die Ansteckung anderer zwar grundsätzlich nicht will, sie aber als Nebeneffekt des eigenen Verhaltens in Kauf nimmt.“ Soweit die Theorie. In der Praxis wird die Beweisbarkeit wohl schwierig sein.
Wie soll man jemandem vorwerfbares Verhalten nachweisen, wenn doch „Ausreden“ wie beispielsweise die Verwechslung mit Erkältungssymptomen vorprogrammiert sind? Umfangreiche Ermittlungsverfahren werden in diesen Fällen, wie Christandl sagt, die Regel sein, was Prognosen für den Prozessausgang schwierig macht.
Sich mit Corona-Symptomen nicht freiwillig selbst „abzusondern“, könnte allerdings auch ein Körperverletzungsdelikt darstellen. „Eine Körperverletzung begeht, wer einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt. Im Unterschied zur Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten handelt es sich bei Körperverletzungsdelikten typischerweise um Erfolgsdelikte, was bedeutet, dass sich das Opfer tatsächlich anstecken muss. Dauert diese Gesundheitsschädigung länger als 24 Tage an, ist sie als schwere Körperverletzung anzusehen. Im Zusammenhang mit Covid-19 ist also bei einem schweren Verlauf der Erkrankung – welcher über 24 Tage andauert – von einer Körperverletzung auszugehen“, sagt der Rechtsexperte.
Das Strafmaß einer Körperverletzung sei abhängig vom sogenannten verwirklichten Erfolg, also der Dauer und schwere der Körperverletzung, sowie vom Vorsatz des Täters. So begehe zum Beispiel eine infizierte Person, die es ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, dass sie durch ihr Verhalten einen Mitmenschen ansteckt, je nach dem sogenannten Taterfolg und dem darauf gerichteten Vorsatz, eine Körperverletzung oder eine schwere Körperverletzung. „Sie ist dann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen bzw. im Fall der schweren Körperverletzung mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“
Auch hier wird es freilich schwierig sein, das subjektive fahrlässige bzw. vorsätzliche Handeln zu beweisen. Trotz rechtlich möglicher Handhabe könne deshalb gar nicht oft genug an eigenverantwortliches Handeln sowie Fürsorge und Loyalität gegenüber Menschen appelliert werden, wie der Anwalt betont.
Lust auf Party ist keine Ausrede
Was nun konkret unsere Eingangsfrage zum Partybesuch anlangt, gilt, wie Christandl zusammenfasst: "Bei einer vorwerfbaren Verharmlosung von Covid-19-Symptomen bzw. einer diesbezüglichen Erkrankung sind durchaus verwaltungsrechtliche, strafrechtliche und sogar zivilrechtliche Konsequenzen vorstellbar und wahrscheinlich, wenn sie nachweisbar sind. Die Lust auf Party liefert keine taugliche Ausrede bzw. Entschuldigung."