"Schon vor der Pandemie kam es in Partnerschaften vor, dass zu Beweiszwecken heimlich Tonbandaufnahmen vorgenommen wurden. Die Verstecke für die Aufnahmegeräte waren und sind vielfältig, beispielsweise: in Rucksäcken der Kinder, im Auto des mutmaßlich betrügenden Ehepartners, daheim in der Küche", schildert die Wiener Familienrechts-Expertin Katharina Braun, ihre Erfahrungen.
Weil die Menschen aufgrund der Pandemie die meiste Zeit zu Hause verbringen, sind ihrer Einschätzung nach die "privaten investigativen Eingriffe" stark im Zunehmen begriffen. Braun: "In diesem Bereich dürfte immer mehr das Bewusstsein verschwinden, dass es sich bei diesen Handlungen um einen massiven Eingriff in die Rechtssphäre des Anderen handelt, die grundsätzlich rechtswidrig sind."
Nicht selten kommen Partner, wie die Rechtsanwältin erzählt, vor einer Scheidung auf die Idee, einfach ein altes Handy, oder ein Aufzeichnungsgerät im Arbeitszimmer zu Aufnahmezwecken verstecken - in der Hoffnung, vom Ehepartner kompromittierende Details zu erfahren oder zum Beispiel auch Details über dessen tatsächliche Auftragslage. Braun warnt: "Hierbei wird nicht nur in die Rechtssphäre des Partners, sondern auch in die Privatsphäre Dritter eingegriffen - egal, ob es Freunde, Verwandte oder Steuerberater sind. Auch vertrauliche Gespräche mit dem Rechtsanwalt oder dem Arbeitgeber werden so ausspioniert."
Grundsätzlich muss man wissen: Das Aufnehmen von Gesprächen des Partners mit dem Handy und/oder Abfotografieren der WhatsApp-Kommunikation kann eine Wegweisung des spionierenden Ehepartners aus der Ehewohnung rechtfertigen. "So geschehen beispielsweise in einem Fall, in welchem der Ehemann in der Küche der Ehewohnung ohne Wissen seiner Frau ein Handy als Aufnahmegerät einrichtete, um damit unter anderem Gespräche der Frau mit ihrer Mutter und deren Rechtsvertretung aufzunehmen. Dies um diese Aufzeichnungen sowohl in einem Pflegschaftsverfahren als auch Scheidungsverfahren gegen die Frau zu verwenden. Der Mann bekam eine Wegweisung aus der Ehewohnung", sagt Braun.
Welche Beweise gelten
Grundsätzlich gibt es in einem Zivilverfahren kein Beweisverwertungsverbot. Der heimlich abgehörte Ehepartner kann sich aber zur Achtung seines Privatlebens unter anderem auf Paragraf 16 ABGB sowie Paragraf 78 Urheberrechtgesetz berufen", klärt Braun auf. Der in seinem Recht auf das eigene Wort Verletzte habe neben dem Unterlassungsanspruch einen Anspruch auf Löschung der rechtswidrig erlangten Tonbandaufzeichnung. "Daran ändert auch nichts der Umstand, dass die Aufzeichnung in einem Zivilverfahren bereits als Beweismittel verwendet wurde."
Dem heimlich aufzeichnenden Ehepartner obliegt in einem solchen Verfahren der Beweis, dass er die Tonaufzeichnung bei sonstiger Undurchsetzbarkeit seines Anspruchs benötigt und dass sein verfolgter Anspruch und seine subjektiven Interessen höherwertiger sind, als die bei der Erlangung des Beweismittels verletzte Privatsphäre des Prozessgegners. "Darzulegen ist, dass die Aufzeichnung im Zuge eines Beweisnotstands notwendig gewesen ist." Der die Aufzeichnung durchführende Ehepartner habe darzulegen, dass ihm ohne Abhören der Tonbandaufzeichnungen der Beweis (etwa rufschädigende Äußerungen) seines Partners nicht gelungen wäre. Dazu sei nachzuweisen, dass ihm keine anderen Beweismittel zur Verfügung standen oder dass die übrigen Beweismittel für die Beweiserbringung nicht ausgereicht hätten. "Eine bloß denkmögliche künftige Notsituation begründet diesen Nachweis nicht."
Der in seinem Recht auf das eigene Wort Verletzte hat neben dem Unterlassungsanspruch einen Anspruch auf Löschung der rechtswidrig erlangten Tonbandaufzeichnung. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass die Aufzeichnung in einem Zivilverfahren bereits als Beweismittel verwendet wurde.
Entscheidungen des OGH zum Thema
- In einem Verfahren von 2001 ist einem Ehemann, der die Telefongespräche seiner Gattin abhörte, der Nachweis der Rechtfertigung misslungen: Der Ehemann hatte vorgebracht, dass er die Aufzeichnungen habe anfertigen lassen, um festzustellen, ob seine Ehefrau Urheberin des seinem Geschäftspartner zu Ohren gekommenen Gerüchts sei, dass er unter einer unheilbaren Geisteskrankheit leide.
- In einer Entscheidung von 2005 verbot der Oberste Gerichtshof eine systematische, verdeckte, identifizierende Videoüberwachung mit der wesentlichen Begründung, die Videoüberwachung sei nicht das schonendste Mittel zur Zweckerreichung gewesen, die Beobachtung durch einen Detektiv hätte ausgereicht. Für rechtswidrig wurde vom Obersten Gerichtshof auch das heimliche Filmen eines gegnerischen Rechtsanwalts zu Belustigungszwecken beurteilt.
- In der Entscheidung von 2020 fertigte ein Ehemann mit seinem Handy Tonaufnahmen von zumindest 35 Streitgesprächen seiner Ehefrau auf. Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Beurteilung der Vorinstanzen, dass diese zur Behebung eines Beweisnotstands nicht notwendig waren und somit nicht gerechtfertigt sind.
- Im einem Fall von 2020 wurde jedoch das einmalige, nicht verdeckte Aufnehmen bei einer Kindesübergabe für nicht
rechtswidrig erklärt. Gegenständlich ging es um die Abholung eines 10-jährigen Kindes durch die Freundin des Kindesvaters. Die Kindesmutter war bereits vor der Aufnahme gegenüber der Freundin, der Klägerin, sowohl verbal als auch körperlich übergriffig geworden. Das der Aufnahme vorangegangene, massive rechtswidrige Verhalten der Kindesmutter, so die rechtliche Begründung des Obersten Gerichtshofs, sowie deren massiven Beschimpfungen, begründen ein berechtigtes Interesse der Freundin an der Aufnahme.