„Ich bin während des Lockdowns am 2. Dezember 2020 mit meinem Auto an einer Schule vorbeigefahren, bei der an Schultagen eine 30er-Beschränkung gilt. Ich wurde dort mit 37 km/h geblitzt und bekam jetzt die entsprechende Anonymverfügung“, schildert unser Leser sein Problem. Die Geschwindigkeitsübertretung fand zwar prinzipiell unter der Woche und bei helllichtem Tage statt, angesichts des coronabedingt eingeschränkten Schulunterrichts stellt er sich aber die Frage: „Ist da nicht ein Fehler passiert? Zum angegebenen Datum waren die Schulen aufgrund der Corona-Pandemie doch geschlossen, wie in den Medien ausführlich berichtet wurde?“ Mit der Bitte um Korrektur der seiner Meinung nach falschen Anonymverfügung wendet er sich auch die Behörde.
Die Antwort seitens des Strafamtes der Landespolizeidirektion Steiermark fällt leider nicht zugunsten unseres Lesers aus: Erstens sei gegen Anonymverfügungen ganz prinzipiell kein Rechtsmittel zulässig. Auch sonstige Eingaben - etwa ein Antrag auf Stundung und/oder Ratenzahlung, Reduktion der Geldstrafe oder die Anforderung eines Radarfotos - könnten nur im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens eingebracht werden. Und ein solches wird erst dann von Amts wegen eingeleitet wird, wenn die Anonymverfügung nicht rechtzeitig einbezahlt wird.
Auch die Annahme unseres Lesers, coronabedingt seien die Schulen „geschlossen“ gewesen, war leider eine Fehleinschätzung, wie die Kleine Zeitung schon beim ersten Lockdown im März 2020 berichtete. Unserem Leser wurde von der Behörde mitgeteilt: „Beim 02.12.2020 hat es sich um einen Schultag gehandelt. Sollte diese eine Schule geschlossen gewesen sein, können Sie dies im Verfahren vorbringen.“
Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes
Was nun im Zweifelsfall wirklich ein Schultag ist, lässt sich von einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes von 2001 ablesen: Demnach kommt dem Begriff „an Schultagen“ ein weiter gehender Inhalt zu, als dem Begriff „an Unterrichtstagen“, weil, wie schon vom Hohen Gerichtshof dargelegt, durchaus auch unterrichtsfreie Tage „Schultage“ sein können, an denen zweckmäßigerweise nicht nur ein Halteverbot, sondern umso mehr eine Verkehrsbeschränkung (zur Gefahrenminimierung) geboten ist.
Schultag oder Unterrichtstag?
Schon aus diesem Grunde sei eine Verkehrsbeschränkung an Schultagen jedenfalls sachgerechter als an Unterrichtstagen und zudem wesentlich bestimmter und nachvollziehbarer, weil auch dem durchschnittlichen Autofahrer bekannt ist, wann jedenfalls keine Schultage sind, nämlich an Sonntagen und in den Ferienzeiten, deren Art und Dauer nahezu jedermanns Wissensstand seien. „In der Regel wird auch aus der Sicht des einzelnen Verkehrsteilnehmers kein Zweifel bestehen, ob der konkrete Tag, an dem er mit dem betreffenden Verkehrszeichen konfrontiert ist, ein "Schultag" ist oder nicht. In den wenigen Fällen hingegen, in denen diesbezüglich Zweifel bestehen könnten (Samstage, schulautonome Tage), kann der Verkehrsteilnehmer, sofern er es nicht weiß, entweder diese Zweifel durch Einholung entsprechender Informationen beseitigen oder aber die Strafbarkeit durch zumutbares Alternativverhalten, nämlich durch entsprechende (kurzzeitige) Verminderung der Geschwindigkeit, vermeiden“, urteilt der Verfassungsgerichtshof - und daran orientiert sich auch das Strafamt im gegenständlichen Fall.
Unser Leser sagt dazu: „Auf ein Verwaltungsstrafverfahren, wie es die Polizei indirekt vorschlägt, lasse ich mich sicherlich nicht ein.“ Er wird die Strafe rechtzeitig bezahlen.