Corona hat die Nachfrage nach Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen in Anwalts- und Notariatskanzleien steigen lassen. Dabei ist vielen nicht klar, was die Unterschiede zwischen den beiden Instrumentarien sind, wenn es lebenserhaltende Maßnahmen geht, die man für sich ausschließen möchte.
Wir haben die Kärntner Rechtsanwältin Florina Ozegovic gebeten, Licht ins Dunkel zu bringen. Sie sagt: „Sinn und Zweck der Patientenverfügung ist es, eine ganz bestimmte Behandlung in einer ganz bestimmten Situation auszuschließen. Beispielsweise kann ein unheilbar kranker Patient, bei dessen Krankheitsverlauf absehbar ist, dass er früher oder später auf künstliche Beatmung oder andere lebenserhaltende Maßnahmen angewiesen sein wird, bei Eintritt dieses Zustandes eine konkrete Behandlung ablehnen.“ Dabei seien allerdings der Fall, der für die Ablehnung der Behandlung eintreten muss, wie auch die Behandlung selbst, die abgelehnt werden soll, ganz bestimmt zu beschreiben. Ozegovic: „Mit der Patientenverfügung ist es nicht möglich, pauschal für die Zukunft lebenserhaltende Maßnahmen abzulehnen.“ Die Rechtsanwältin gibt zu bedenken: „In der Praxis erweist sich dieses Instrument oft als zu starr und unflexibel, was dazu führt, dass der behandelnde Arzt im Zweifel, bevor er das Ableben des Patienten riskiert - und eine damit verbundene Haftung - lieber eine Behandlung vornimmt, die laut Patientenverfügung eigentlich nicht gar mehr gewünscht wäre.“
Vorsorgen mit Hilfe einer Vertrauensperson
Dem gegenüber steht das Instrumentarium der Vorsorgevollmacht, mit dem man die Möglichkeit hat, eine Vertrauensperson als Vertreter einzusetzen - auch in medizinischen Angelegenheiten. „Die Vorsorgevollmacht hat den Vorteil, dass es eine Ansprechperson gibt, mit der der Arzt gemeinsam die weitere Vorgehensweise besprechen kann, was ein ,persönliches Element’ einführt, das es bei der Patientenverfügung nicht gibt, da der Betroffene zum fraglichen Zeitpunkt ja in der Regel nicht mehr gefragt werden kann,“ verdeutlicht Ozegovic den Unterschied.
Wichtig zu wissen: Die Vorsorgevollmacht ist im Gegensatz zur Patientenverfügung (die ein Ablaufdatum von acht Jahren hat) nicht zeitlich befristet. Sie kann aber – wie auch die Patientenverfügung – jederzeit widerrufen werden. Und wirksam wird die Vollmacht erst, wenn der Vollmachtgeber die Entscheidungsfähigkeit in jenen Angelegenheiten verliert, für die er vorgesorgt hat, wie die Rechtsanwältin betont.
Rechtsanwalte und Notare sind die richtigen Ansprechpartner für beide Vorsorgeinstrumente, die ohnehin nur schriftlich gültig sind. Bei Patientenverfügungen sind außerdem Patientenvertretungen und Erwachsenenschutzvereine geeignete Anlaufstellen. „Beide Dokumente sollte man registrieren lassen“, empfiehlt Ozegovic und meint damit das Patientenverfügungsregister und das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis. Eine gesetzliche Verpflichtung des Arztes, Nachforschungen zu betreiben, ob eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht vorliegt, bestehe allerdings nicht. Wird ein Patient ins Krankenhaus eingeliefert, kommt in der Regel aber ohnehin ein Angehöriger mit, der weiß, ob entsprechende Dokumente vorliegen.
Was ein Intensivmediziner zum Thema sagt
Rudolf Likar leitet Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt und ist Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft. Patienten, die ihren Willen nicht mehr klar artikulieren können, gehören ihn also zum Alltag. "Ärzte sind nicht dazu verpflichtet, nach etwaigen Patientenverfügungen oder Vorsorgevollmachten zu suchen. Tun sie es trotzdem?", fragen wir ihn. Seine Antwort lautet: "Wir fragen natürlich nach, ob es so etwas gibt. Meistens gibt es einen Angehörigen, der den Patienten ins Spital begleitet und uns das sagen kann." Und wenn es weder eine Verfügung noch einen Bevollmächtigten gibt? Prinzipiell gelte, wie Likar betont der mutmaßliche Patientenwille, den versuche man als Arzt gemeinsam mit Angehörigen zu ermitteln. "Angehörige erschrecken aber oft bei der Frage nach der Lebensgeschichte des Patienten und wie er gedacht hat, weil sie glauben, sie müssten Entscheidungen zwischen Leben und Tod treffen", schildert er seine Erfahrung. Dabei gehe es nur darum, den Patienten besser kennenzulernen. "Die Entscheidung trifft dann der Arzt", stellt Likar klar.
Kärnter Forscher suchen Interviewpartner zum Thema
Die Aufklärungsarbeit zum Thema Patientenverfügung ist Likar wichtig. "Aber wem legen Sie eine solche Verfügung wirklich ans Herz?", wollen wir von ihm wissen. "Nur Patienten mit einer Erkrankung, bei der sie schon relativ genau wissen, was auf sie zukommt. Zur Patientenverfügung gehört eine gewisse Vertrautheit mit einem Krankheitsbild", lautet die Antwort.