Nach der Urlaubssaison herrscht bei Scheidungsanwälten Hochbetrieb. Das war schon immer so. Die Pandemie hat daran nichts geändert. "Es kommen jetzt schon mehr Menschen zu mir, die klagen, dass sich ihr Partner während der Pandemie geändert hat und sie es jetzt nicht mehr mit ihm aushalten", sagt die Wiener Scheidungsanwältin Susanna Perl-Lippitsch, die für ihre Klienten auch in Graz Sprechstunden abhält. 

Der Großteil der Ehen wird in Österreich nach wie vor einvernehmlich, und damit ohne Scheidungsanwalt geschieden. Wenn sich ein Paar erbitterte Kämpfe liefert, wird aber, so Perl-Lippitschs Erfahrung, hauptsächlich um die Kinder gestritten. Letztendlich geht es dabei freilich auch wieder ums liebe Geld. Der Hintergrund: "Wer Kindesunterhalt zahlen muss, muss umso weniger zahlen, je mehr Zeit das Kind bei ihm verbringt. Einige Väter fechten vor Gericht erbitterte Kämpfe aus, nur um weniger Unterhalt zahlen zu müssen", sagt Perl-Lippitsch.

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Ein weiterer häufiger Grund, warum Scheidungen strittig werden, ist ihrer Erfahrung nach der Umstand, dass einer der Partner die Trennung schon lange wollte, sie für den anderen aber trotzdem überraschend kam. Einer der Partner hängt emotional also noch in der Beziehung fest. "Dann kann man gegen den Willen des anderen zwar die Scheidungsklage einbringen, muss dem anderen im Verfahren aber eine Eheverfehlung wie Untreue, Lieb- und Interesselosigkeit, Vernachlässigung oder Alkoholismus vorwerfen können, um die Scheidung zeitnah durchzubringen", sagt Perl-Lippitsch.

Der bessere Weg: "Es bringt nichts, die Scheidung in solchen Fällen schnell durchzupeitschen, weil der überrumpelte Partner noch gar nicht abschätzen kann, was bei einer Trennung eine faire und wirtschaftlich vernünftige Lösung ist." Kleiner Nachsatz: "Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass einem Paar die Scheidung einfach zu schnell ging; die beiden haben sich noch nicht aus ihrer Beziehung gelöst und über den Streit um die Kinder bleiben sie in Kontakt. Das geht freilich auf Kosten der Kinder."

Fehler werden bei Scheidungen allerdings auch schon im Anfangsstadium gemacht: "Frauen tendieren dazu, gleich einmal aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen und meinen, sie könnten auch die Kinder sofort mitnehmen", sagt Perl-Lippitsch und rät davon dringend ab. Nicht nur die wirtschaftlichen Folgen könnten für die Frauen fatal sein: "Das Gericht legt den hauptsächlichen Aufenthalt der Kinder im Streitfall nicht mehr automatisch bei der Mutter fest", warnt Perl-Lippitsch und fügt hinzu: "Wenn Frauen unbedingt gleich ausziehen möchten, stelle ich zuerst beim Gericht einen Antrag auf Festlegung des hauptsächlichen Aufenthalts bei der Mutter. Gleichzeitig wird klargestellt, dass die Mutter die Hauptbezugsperson für die Kinder ist und eine gute Beziehung zu ihnen hat."

In so manchen Fällen kann Perl-Lippitsch ihren Klientinnen auch nur raten, sich gar nicht scheiden zu lassen: dann nämlich, wenn diese kaum über eigenes Einkommen oder eine eigene Pension verfügen und die eheliche Situation für sie nicht zur Gänze unerträglich ist. "Als Ehefrau haben Sie vollen Witwenpensionsanspruch und sind erb- bzw. pflichtteilsberechtigt."
In der Praxis haben Frauen nur in den seltensten Fällen einen nachehelichen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Mann. "Der Besserverdiener hat dem schlechter Verdienenden Unterhalt zu zahlen, wenn ihn das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft", erklärt Perl-Lippitsch die Grundlage. "Das überwiegende Verschulden ist der Knackpunkt: Es reicht nicht, einmal betrogen oder beschimpft worden zu sein. Das Gericht prüft nämlich auch, ob mir selbst etwas vorgeworfen werden kann. Und das kann mitunter in einer jahrelangen Ehe schon vorkommen."

Treuepflicht gilt bis zum Ende

Gewarnt seien auch jene, die ihrem untreuen Partner Gleiches mit Gleichem vergelten wollen und sich noch bei laufendem Scheidungsverfahren ebenfalls eine/n Geliebte/n zulegen: "Bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens gilt die Treuepflicht, das wäre also auch eine Eheverfehlung", erklärt die Juristin.

Wie sich Väter helfen können

Mit dem Klischee des bei der Scheidung über den Tisch gezogenen Ehemannes und Vaters, dem letztlich auch noch die Kinder entzogen werden, räumt Perl-Lippitsch auf: "Männer verdienen im Normalfall besser als Frauen, können sich also längere Verfahren leisten und haben im Scheidungsverfahren tendenziell auch die besseren Nerven." Bei unverkennbaren Anzeichen für einen Kindesentzug durch die Mutter, rät sie Vätern, nur nicht zu viel Zeit vergehen zu lassen, sondern rasch ein Kontaktrechtsverfahren anzustrengen. "Sonst riskieren Sie eine Entfremdung und das Kind will Sie am Ende womöglich gar nicht mehr sehen."