"Ohne App kein Dip“ schrieb unlängst eine Leserin in die Betreffzeile Ihrer E-Mail an die Ombudsredaktion. Der Stein des Anstoßes: Eine Fast-Food-Kette verweigerte ihr den „analogen“ Verkauf eines speziellen Burger-Dips im Geschäft, weil man diesen nur per App bestellen könne. Unsere Leserin lehnt Apps aber grundsätzlich ab, wie sie sagt. „Die Angelegenheit ist per se nicht wichtig, aber der Digitalisierungszwang betrifft immer mehr Bereiche - dabei können und wollen viele nicht mit Apps hantieren. Außerdem wird es immer schwieriger, ohne digitale Technologien von Treuekundenvorteilen zu profitieren“, meint sie und möchte wissen: „Ist das nicht Diskriminierung? Und kann man sich dagegen rechtlich nicht zur Wehr setzen?“

Wir haben den Grazer Rechtsanwalt und Datenschutzexperten Stefan Lausegger dazu befragt. „Grundsätzlich steht es Gewerbetreibenden frei, mit welchen Kunden sie auf welche Weise Verträge abschließen“, sagt er. Setzt ein Unternehmer zum Verkauf seiner Produkte und Dienstleistungen eine App ein und begünstigt Kunden, die die diese App benutzen in irgendeiner Weise gegenüber anderen Kunden oder verarbeitet dabei Daten der Kunden, die für die Vertragserfüllung nicht unbedingt notwendig sind, würden sich aber bestimmte rechtliche Fragen stellen.

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Die Datenschutz-Grundverordnung verbietet nämlich grundsätzlich, die Erfüllung eines Vertrages (zum Beispiel den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen) davon abhängig zu machen, dass der Vertragspartner in eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten einwilligt, die für die Erfüllung des Vertrages nicht notwendig sind. Lausegger: „Es wäre daher wohl unzulässig, wenn eine Fast-Food-Kette ganz allgemein den Verkauf von Essen von der Einwilligung in die Verarbeitung von Kontaktdaten zu Zwecken des Direktmarketings abhängig machen würde.“ Jedoch werde dieses sogenannte Koppelungsverbot derzeit von der Rechtsprechung so ausgelegt, dass zumindest für eine Gratis-Dienstleistung eine Einwilligung in bestimmte Datenverarbeitungen verlangt werden könne, wenn eine alternative Bezugsmöglichkeit für die Kunden besteht. Freilich bezahle der Kunde die Dienstleistung dann effektiv mit seinen Daten.

Ob eine solche Koppelung auch zulässig wäre, wenn ein Kunde eine Ware oder Dienstleistung billiger bekommt, weil er einer Datenverarbeitung zustimmt, ist derzeit ungeklärt. Lausegger: „Bei vorsichtiger Auslegung der bisherigen Entscheidungen wird das wohl davon abhängen, wie groß der Nachteil für den Kunden ist, wenn er die Einwilligung verweigert und ob gleichwertige Produkte und Dienstleistungen von anderen Anbietern angeboten werden.“ Die Rechtswissenschaft gehe zwar derzeit meist davon aus, dass in bestimmten Fällen die Gewährung von Vergünstigungen im Austausch für die Zustimmung zur Nutzung von vor allem sensiblen personenbezogenen Daten (etwa die Gesundheit betreffend) die Freiwilligkeit dieser Zustimmung beseitigen und damit einen Verstoß gegen das Koppelungsverbot darstellen kann - wo genau diese Grenze liegt, dazu fehle aber noch belastbare Rechtsprechung.

Benachteiligung für Behinderte

Die zweite Frage ist: Wenn Unternehmen ihre Waren und Dienstleistungen (oder bessere Konditionen) nur jenen zur Verfügung stellen, die digitale Technologien einsetzen können – ist das nicht eine Diskriminierung jener, die mit diesen Technologien etwa aufgrund einer Behinderung nur schwer umgehen können? „Personen mit Behinderungen sind zum Beispiel durch das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz vor bestimmten Diskriminierungen im Alltag geschützt, insbesondere auch beim Abschluss vieler Verbrauchergeschäfte“, erklärt Lausegger.

Insgesamt könne gesagt werden: „Die Verpflichtung zur Verminderung von Barrieren für diese Personengruppe würde wohl darin bestehen, die App bis zu einem gewissen Grad behindertengerecht auszugestalten. Ob und unter welchen Umständen dies dem Unternehmer zumutbar und daher tatsächlich rechtlich erforderlich ist, ist eine Frage des Einzelfalls.“

Missbrauch der Marktmacht

Ein dritter Aspekt ist ein möglicher Marktmachtmissbrauch. „Ein marktbeherrschendes Unternehmen könnte beim Einsatz von Apps, die Daten sammeln, die für die Vertragserfüllung nicht nötig sind, Marktmachtmissbrauch begehen bzw. unlauter handeln“, sagt Lausegger und ergänzt: „Der Marktbeherrscher ist zur Gleichbehandlung gesetzlich verpflichtet.“ Eine unterschiedliche Behandlung von Konsumenten, also Diskriminierung im weitesten Sinne, bedürfe bei Marktbeherrschern einer sachlichen Rechtfertigung. Lausegger: "Diese Thematik ist etwa bei den Diensten von Facebook oder Google gegenüber Konsumenten relevant, denen diesbezüglich eine marktbeherrschende Stellung zukommt - hier läuft derzeit etwa in Deutschland ein Verfahren gegen Facebook beim Bundesgerichtshof."