Wenn ambitionierte Radfahrer auf einer öffentlichen Straße unterwegs sind, schont der eine gern im Windschatten des anderen seine Kraft, der Abstand zum Hinterrad des Vordermannes ist dabei naturgemäß minimal. Verboten ist das nicht. Kein Polizist wird das Fehlen des Sicherheitsabstandes, wie man ihn von der Führerscheinprüfung her kennt, abstrafen. Zivilrechtlich sieht es schon anders aus, wie jetzt das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht bzw. zweite Instanz in einem Streit um Schmerzengeld für eine verunfallte Windschatten-Radlerin zeigt, der ein Autofahrer den Vorrang nahm.
Sturz und Prellungen
Konkret war die Klägerin als Teil einer Freundesgruppe, die sich auf einer Bundesstraße in Kärnten einen privaten Wettkampf lieferte, als Zweite mit einem Abstand von maximal zwei bis drei Metern, etwa 50 cm seitlich versetzt, hinter ihrem Mann unterwegs, als es zum Unglück kam: Ein Autofahrer unterschätzte beim Ausparken die Geschwindigkeit der Radfahrer (etwa 20 km/h) und fuhr plötzlich los. Der Mann der Klägerin schaffte noch eine unfallfreie Vollbremsung, seine Frau allerdings fuhr ihm auf, stürzte und erlitt Prellungen und Abschürfungen am ganzen Körper.
Die Radfahrerin ging mit einer Schmerzengeldforderung von 1800 Euro für die folgenreiche Vorrangverletzung vor Gericht. Der Autofahrer bzw. seine Haftpflichtversicherung warfen der Klägerin aber eine relativ überhöhte Geschwindigkeit und einen zu geringen Tiefenabstand zum Rad ihres Mannes vor. „Man könnte jetzt einfach sagen: Es ist zwar richtig, dass die Klägerin zu knapp an ihrem Mann gefahren ist, aber der Vorrangverstoß ist so massiv, dass ihr Vergehen im Verhältnis dazu so klein ist, dass sie dennoch das ganze Schmerzengeld bekommt. Das Gericht hat ja die Möglichkeit einer Gewichtung“, sagt der Kärntner Rechtsanwalt Thomas Romauch, der das Unfallopfer vertrat. Im Ersturteil, das jetzt vom Landesgericht Klagenfurt bestätigt wurde, entschied der Richter aber, dass die Forderungen der Klägerin nur zu drei Vierteln zu Recht bestehen. Anders gesagt: Sie erhielt ein um 25 Prozent reduziertes Schmerzengeld.
Auf den Abstand kommt es an
Was man daraus lernen kann? „Bei privaten Radtouren ist zum vorderen Radfahrer immer ein Mindesttiefenanstand einzuhalten, der dem sogenannten Sekundenweg entspricht“, sagt Romauch. Hobby-Radfahrer sind im Schnitt mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 bis 25 km/h unterwegs. Der Abstand zum Hinterrad des vorderen Teilnehmers sollte also zumindest sechs bis sieben Meter betragen. Wer sich nicht daran hält, kann, wie der Rechtsanwalt betont, auch bei einer eklatanten Vorrangverletzung durch einen anderen Verkehrsteilnehmer bei einem Unfall ein Mitverschulden von 25 bis 33 Prozent angelastet bekommen. Dieses Urteil gehe in Richtung Eigenverantwortung und Bewusstseinsbildung. „Kein Verkehrsteilnehmer ist von Sorgfalt entbunden.“
Dass der Fall zwei Instanzen beschäftigt hat, liegt übrigens an der Tatsache, dass der Pkw-Lenker ein Anwalt war, der ein maximal 50-prozentiges Mitverschulden am Unfall anerkennen wollte.