In politischen Diskussionen hört man immer wieder, dass die Steuerentlastung durch den „Familienbonus Plus“ eine der wichtigen politische Errungenschaften der letzten Zeit sei. Diese Steuerentlastung käme getrennt lebenden Elternteile - vorausgesetzt beide verfügen über ein monatliches Einkommen von zumindest 1700 Euro brutto - gleichermaßen zugute. Die Wiener Familienrechtsexpertin Katharina Braun will das so nicht stehen lassen. „Stimmt nicht“, sagt sie. Denn die mit dem Familienbonus einhergehende Steuerentlastung komme mittelbar dem Kind zugute. „Für den getrennt lebenden Elternteil ist der Familienbonus Plus im besten Fall ein Nullsummenspiel.“
Der Hintergrund: Monatelang war ungewiss, ob bzw. wie sich der Bezug des Familienbonus auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage auswirkt. „Das blähte die Rechtsberatungen mitunter sehr auf und stieß verständlicherweise bei der recht-suchenden Klientel auf Unverständnis“, erzählt Braun aus der Praxis. Denn die Bevölkerung meine zu Recht, dass die Jurisprudenz eine exakte Angelegenheit zu sein habe. Im Mai 2019 entschied der Oberste Gerichtshof dann, dass der Bezug des Familienbonus Plus sehr wohl zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage führe. Hier geht es zum Urteil. „Die Art der Berücksichtigung blieb in dieser Entscheidung jedoch noch offen“, sagt Braun. Bei der Form der Berücksichtigung des Familienbonus Plus standen folgende Alternativen zur Verfügung: eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage oder eine Kürzung der Berücksichtigung der Transferleistung (Familienbeihilfe). Im Dezember 2019 erging dann zum Thema „Familienbonus Plus“ eine abermalige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, derzufolge der „Familienbonus Plus“ zu einem Wegfall der anteiligen Berücksichtigung der Familienbeihilfe führt.
Braun rechnet ein konkretes Beispiel durch: Bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 3500 Euro netto und der Unterhaltsverpflichtung für ein 16 Jahre altes Kind, beträgt die Kindesunterhaltsverpflichtung 770 Euro (das sind 22 Prozent vom monatlichen Nettoeinkommen): in anteiliger Anrechnung der Familienbeihilfe hätte sich diese Kindesunterhaltsverpflichtung auf 651 Euro reduziert. Nun fällt die anteilige Anrechnung der Familienbeihilfe weg, sodass es bei den 770 Euro monatlich bleibt. Das heißt: Bei diesem Unterhaltspflichtigen erhöht sich die Kindesunterhaltsverpflichtung monatlich um 119 Euro, jährlich somit um 1428 Euro. Die mit dem Familienbonus Plus einhergehende Steuerentlastung beträgt für diesen Unterhaltspflichtigen im Jahr 750 Euro, das ist die Hälfte von 1500 Euro.
Bei geringerem Einkommen ist der Unterschied kleiner
Bei geringeren Einkommen fällt der Unterschied zur Bemessung des Kindesunterhalts unter anteiliger Berücksichtigung der Familienbeihilfe freilich niedriger aus, wie Katharina Braun betont. Bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von in etwa 2300 Euro betrage der sogenannte Prozentunterhalt für das 16 Jahre alte Kind aus unserem Rechenbeispiel 506 Euro. In Berücksichtigung der anteiligen Familienbeihilfe hätte sich diese Verpflichtung auf 450 reduziert. „Durch den Familienbonus Plus fährt dieser Elternteil nun ein Nullsummenspiel ein. Er muss zwar nunmehr monatlich 506 Euro an Kindesunterhalt bezahlen, jedoch ist ihm diese Erhöhung durch den Familienbonus Plus abgegolten, das sind monatlich 62,50 Euro, wenn man die Hälfte des „Familienbonus Plus“ von 750 Euro durch 12 dividiert.“
Noch mehr Streitpunkte
Ein weiterer Kritikpunkt für die Juristin: „Der Gesetzgeber machte es noch komplizierter, indem er dem Unterhaltspflichtigen die Wahl überließ, den Familienbonus Plus laufend über die Lohnverrechnung, also durch den Arbeitgeber, oder im Nachhinein im Rahmen der Steuererklärung beziehungsweise Arbeitnehmerveranlagung durchzuführen.“ Rechtspfleger würden nun zu Recht eine Flut an Kindesunterhaltserhöhungsanträgen mit Rückwirkung ab 1. Jänner 2019 (Einführung Familienbonus Plus) befürchten.
Anspannungsprinzip beachten!
Katharina Brauns dringender Rat lautet: „Getrennt lebende Elternteile sollten unbedingt den Familienbonus Plus beziehen.“ Denn im Familienrecht gelte das sogenannte „Anspannungsprinzip“, dem zufolge auch nicht bezogenes Einkommen, oder aber eben auch nicht in Anspruch genommene Steuerentlastungen (Steuervorteile) zugunsten des Unterhaltsberechtigten berücksichtigt werden. „Nehmen wir etwa das Beispiel, dass ein Ehepartner seine Arbeitsleistung reduziert, weil er seine Unterhaltsverpflichtung verringern will. Das funktioniert nicht. Denn ein Einkommen, das man zwar ausschlägt, aber eben in den Verdienst hätte bringen können, wird beim Unterhalt so gerechnet, als würde man dies eben verdienen. Als Unterhaltspflichtiger hat man Kürzungen seines Einkommens hintanzuhalten.“