Aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie könnten die Mietschulden heimischer Haushalte heuer auf mehr als 83 Millionen Euro ansteigen, schätzt die Arbeiterkammer. Laut Schätzungen der AK könnten heuer 48.800 Kündigungen und Räumungsklagen drohen, 17.000 könnten außerdem aus ihrer Wohnung delogiert werden. Das wäre eine Verdoppelung der Delogierungen im Vergleich zum Vorjahr. Die Situation könnte sich verschärfen, wenn im März 2021 die Stundungsmöglichkeit für pandemiebedingte Mietzinsrückstände aus dem Frühjahr 2020 ausläuft.
Aber was genau geschieht eigentlich in welcher Reihenfolge, wenn ein Mieter seine Miete nicht mehr zahlen kann und sein Vermieter dies als Kündigungsgrund sieht? Wir sind dieser Frage - unabhängig von Corona - im Detail nachgegangen.
1. Wann ist der Mietzinsrückstand ein Kündigungsgrund?
„Der Kündigungsgrund gemäß Mietrechtsgesetz ist dann gegeben, wenn der Mieter trotz einer nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgten Mahnung mit der Bezahlung des Mietzinses über die übliche oder ihm bisher zugestandene Frist hinaus, mindestens aber acht Tage im Rückstand ist“, erklärt die Juristin und Bundesobfrau des Mieterschutzverbandes, Barbara Walzl-Sirk. Anders gesagt: Der Zahlungsrückstand muss bei der Zustellung dieser Kündigung noch bestehen, bereits acht Tage fällig gewesen sein und trotz Mahnung innerhalb der gesetzten bzw. gewährten Nachfrist nicht beglichen worden sein.
2. Was passiert, wenn die Räumungsklage eingebracht wird?
Das Bezirksgericht schickt sie dem Mieter zu und beraumt eine vorbereitende Tagsatzung an. Kommt der Mieter nicht zu diesem Gerichtstermin, ergeht ein Versäumungsurteil, gegen das der Mieter binnen 14 Tagen Widerspruch erstatten kann. Walzl-Sirk: „Ohne Widerspruch wird das Urteil rechtskräftig und der Vermieter kann die Räumung der Wohnung beim Bezirksgericht beantragen.“ Sind die Voraussetzungen dafür erfüllt, erlässt der Richter danach den Exekutionsbewilligungsbeschluss.
3. Dann erfolgt tatsächlich die Räumung?
„Zuerst wird der Exekutionsbewilligungsbeschluss gemeinsam mit dem vom Gerichtsvollzieher festgelegten Räumungstermin dem Vermieter und dem Mieter und den Behörden zugestellt, die berufen sind, Fürsorgemaßnahmen für Obdachlose einzuleiten“, erklärt die Juristin. Wenn die Delogierung dann erfolgt, besteht die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers darin, Personen und bewegliche Sachen aus der zu räumenden Wohnung zu entfernen, und den betreibenden Gläubiger (Vermieter) in den Besitz des zu übergebenden Objektes zu setzen. Dadurch geht die Verfügungsmacht vom Mieter auf den Vermieter über.
4. Welche Möglichkeiten gibt das Gesetz dem Mieter, die Räumung abzuwenden?
Erscheint der Mieter nach der Zustellung der Räumungsklage zum Gerichtstermin, besteht die Möglichkeit, zum Beispiel einen Räumungsvergleich zu schließen und allenfalls auch eine Ratenzahlung zu vereinbaren, falls der Mieter nicht in der Lage ist, den Mietzinsrückstand zu bezahlen.
5. Und wenn der Mieter seinem Vermieter gar nichts schuldig ist?
Bestreitet der Mieter, dass es einen Mietzinsrückstand gibt, weil er zum Beispiel alle Mieten tatsächlich bezahlt hat oder deshalb weniger bezahlt hat, weil er vom Mietzinsminderungsrecht Gebrauch gemacht hat, wird das gerichtliche Verfahren fortgesetzt und das Gericht wird dann entscheiden, ob der Räumung stattzugeben ist oder nicht. „Die Kündigung ist auch aufzuheben, wenn den Mieter am Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden trifft und er den geschuldeten Betrag vor Schluss der der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz unmittelbar vorangehenden Verhandlung entrichtet“, erklärt Barbara Walzl-Sirk den Sachverhalt.
6. Kann gegen ein gerichtliches Räumungsurteil noch Einspruch erhoben werden?
Der Mieter kann, wie Walzl-Sirk betont, binnen vier Wochen ab Zustellung des Urteils eine Berufung an das Landesgericht für Zivilrechtssachen einbringen. Dann entscheidet das Landesgericht. „Wird das Urteil des Erstgerichtes bestätigt und ist diese Entscheidung dann rechtskräftig, kann der Vermieter wieder die Räumungsexekution beantragen.“
7. Was meint man mit Räumungsaufschub?
Beim Räumungsaufschub nach Paragraf 35 MRG geht es darum, ein Räumungsverfahren wegen drohender Obdachlosigkeit aufzuschieben. „Dabei geht es nicht um eine Bekämpfung der Exekution, sondern um soziale Erwägungen“, sagt Walzl-Sirk. Nach dieser Bestimmung kann ein Mieter, dem rechtskräftig gekündigt worden ist, und der im Falle der Räumung der Obdachlosigkeit ausgesetzt ist, einen Antrag auf Aufschiebung der Räumungsexekution einbringen – „wenn die Aufschiebung dem betreibenden Vermieter nach der Lage der Verhältnisse zugemutet werden kann“. Die so bewilligte Verlängerung der Räumungsfrist sollte drei Monate nicht übersteigen. Ist diese Frist verstrichen, kommt ein weiterer Aufschub wegen bloßer Obdachlosigkeit nicht mehr in Betracht. Dann sind besonders berücksichtigungswürdige Umstände nötig, um einen weiteren Aufschub zu erhalten.
8. Was sind besondere Gründe für einen Räumungsaufschub?
"Besonders berücksichtigungswürdige Umstände können zum Beispiel das hohe Alter, Krankheit oder Kleinkinder sein," erklärt die Juristin. Diese besonders berücksichtigungswürdigen Umstände habe der Mieter bereits in seinem Aufschiebungsantrag zu behaupten und zu bescheinigen. Das heißt: Ihn trifft die Behauptungs- und Beweispflicht. "Nur der Hinweis, dass mit ihm im gemeinsamen Haushalt ein minderjähriges Kind wohnt, reicht nicht aus, da dieser Umstand ja auch nach Ablauf des Räumungsaufschubes auch vorhanden sein wird." Liegen besonders berücksichtigungswürdige Umstände vor, kann zwei Mal noch ein Aufschub beantragt werden. Die Gesamtdauer der so bewilligten Räumungsaufschübe darf, wie Walzl-Sirk betont, ein Jahr nicht übersteigen.