Die Äste des Zwetschkenbaums unserer Leserin hängen teilweise in den Nachbargrund hinein. Wenn ihr Nachbar nicht da ist, zieht sie das überhängende Obst zum Ernten mit einem Rechen auf ihr Grundstück. „Letztens hat mich mein Nachbar dabei gesehen und gemeint, dass ich dazu überhaupt kein Recht hätte“, erzählt sie und will sich damit nicht abfinden. „Die Zwetschken sind doch mein Eigentum“, sagt sie.
Jenseits des Zaunes
Der Rechtsanwalt Wolfgang Reinisch erklärt zu dieser Sachlage: „Der gesamte Baum, einschließlich der in den Nachbargrund überhängenden Äste und der in diesem Bereich wachsenden Früchte steht grundsätzlich im Eigentum desjenigen, auf dessen Grundstück sich der Stamm des Baumes zur Gänze befindet. Ihre Leserin hat daher insoferne recht, als sich auch die überhängenden Äste und die daran befindlichen Früchte in ihrem Eigentum befinden.“ Das große Aber folgt auf dem Fuß: „Aus Paragraf 422 ABGB ergibt sich ein Aneignungsrecht jenes Grundeigentümers, in dessen Grund die Äste hineinragen. Dieser Eigentümer darf den Überhang abschneiden, aber auch die Früchte im Bereich des Überhangs ernten.“ Zur beschriebenen „Rückholaktion“ unserer Leserin sagt der Jurist: „Bei dieser Aktion dürfte sie nicht in den Luftraum über dem Grundstück des Nachbarn eindringen, weil dies eine Verletzung seiner Eigentumsrechte wäre.“ Einfach gesagt: Der Nachbar unserer Leserin hat Recht.