Frau Weltevreede, Sie sind Sprecherin für Ocean Cleanup: Dabei zieht ein spezielles Schiff eine 600 Meter lange schwimmende Barriere hinter sich her, mit der die Plastikteile aus dem Meer gefischt werden. Wie läuft es derzeit für das Projekt von Boyan Slat, das es sich zum Ziel setzte, unsere Ozeane vom Plastikmüll zu befreien?
ELINE WELTEVREEDE: Gut läuft es! Am 2. Oktober konnten wir verkünden, dass Ocean Cleanup erfolgreich Kunststoff-Abfall aus dem großen Pazifischen Müllteppich abfangen kann.
Sie hatten zu Jahresbeginn doch ernsthafte Probleme mit der Technik, wie bekam das Team von Ocean Cleanup diese in den Griff?
WELTEVREEDE: Das Grundkonzept von Ocean Cleanup ist es, die unterschiedlichen Geschwindigkeiten des Fangsystems und des umhertreibenden Plastiks zu nutzen. Ja, das "System 001" machte Schwierigkeiten: Aufgrund der Wetterlage bewegte sich der Schwimmer in "U"-Form zunächst schneller als der Müllteppich auf der Meeresoberfläche – was wichtig ist, damit es funktioniert. Dann aber bremsten Wind und Wellen das System ab. Über eine zusätzliche Konstruktion, eine Art Fallschirm mit Anker, können wir die Geschwindigkeit der Fangapparatur nun beständig steuern. Das "System 001/B" setzte die Lösungen für Probleme, von den wir bereits wussten, erfolgreich um. Die Änderungen wurden auf offenem Meer in die Konstruktion eingebaut. Wir haben jetzt minimalen Überlauf, was bedeutet, ein Maximum an Plastik zu sammeln.
Boyan Slat nannte die Probleme "ungeplante Möglichkeiten zu lernen" – ist das verbesserte System nun der Weisheit letzter Schluss?
WELTEVREEDE: Obwohl System „001/B“ gut funktioniert, ist es noch viel Arbeit zu tun. Mit den Erkenntnissen, die wir gewonnen haben, macht sich Ocean Cleanup nun daran, die nächste Stufe zu entwickeln: „System 002“ soll den Plastikabfall in vollem Umfang aufhalten, einsammeln und nicht zuletzt auch halten können – und sein Betrieb wird für sehr lange Zeiträume ausgelegt sein. Einmal in Vollbetrieb, wird Ocean Cleanup Plastik an Land zurückbringen, damit es dort der Wiederverwertung zugeführt werden kann.
Ocean Cleanup will jetzt auch Flüsse vom Plastikmüll befreien – was kann man sich von der neuen Eine schwimmende Müllabfuhr "The Interceptor" erwarten? Pro Tag sollen damit 50.000 Kilogramm Plastikmüll eingesammelt werden können – unter den richtigen Voraussetzungen laut Boyan Slat "sogar das Doppelte".
WELTEVREEDE: Um die Meere nach und nach vom Kunststoffabfall zu befreien, müssen wir auch verhindern, dass dieser überhaupt ins Meer gelangt. Flüsse sind die primäre Quelle für Meeresplastik. Der "Interceptor" (zu Deutsch "Abfangjäger", Anmerkung) ist im Wesentlichen eine bogenförmigen Auffangvorrichtung, die in den am stärksten verschmutzten Flüssen des Planeten installiert werden kann. Auch hier baut die eingesetzte Technologie sehr stark auf natürliche Kräfte wie Strömung und die Energie der Sonne. Die Auffangvorrichtung sammelt den Unrat ein und führt ihn einer durchlässigen Vorrichtung, einer Art Förderband, zu. Über dieses Band wird der eingesammelte Abfall in weiterer Folge zwischen sechs Containern auf einem separaten Lastschiff aufgeteilt.
Gab es so etwas noch nicht?
WELTEVREEDE: Nein, es die erste anpassbare Lösung, die verhindert, das Plastikabfall überhaupt erst den Ozean erreichen kann.
Sie haben einen "Interceptor" im Oktober in Rotterdam vorstellt – wo arbeiten die solarbetriebenen Schiffe in Echtbetrieb?
WELTEVREEDE: Derzeit arbeiten sie in Jakarta in Indonesien und in Klang in Malaysia. In absehbarer Zeit werden "Interceptors" aber auch im Vietnam, in der Dominikanischen Republik, in Thailand und in den USA im Verwaltungsbezirk Los Angeles arbeiten. Diese Länder waren allesamt bestrebt, die neuen Flussreinigungssysteme zu testen – wir können dadurch noch mehr Erfahrungswerte gewinnen.
Was sagen Sie zu den Kritikern, die bemängeln, dass der Energieaufwand, den es dafür braucht, seinerseits sehr groß ist? Beseitigt Ocean Cleanup zwar Plastikabfall, lieferte aber selbst eine nicht allzu gute Ökobilanz?
WELTEVREEDE: Abgesehen vom Vorgang des Entladens und Zurückbringens der Lastschiffe zu den Abfangvorrichtungen braucht der Interceptor keine umweltschädlichen und teuren Treibstoffe: Ocean Cleanup arbeitet mit Solarenergie – das bringt nicht zuletzt auch die Betriebskosten auf ein sehr niedriges Level.