Lässt sich seriös sagen, wie vielen Menschen Nachhaltigkeit beim Einkaufen wichtig ist?
PETRA RIEFLER: Bei den Erhebungen kommt es immer darauf an, was man erhebt. Wenn man die Leute fragt, was ihnen wichtig ist, sagen sie zur Nachhaltigkeit Ja, es hat für die Befragten schließlich keine Konsequenzen. Wenn man sie hingegen in Auswahlsituationen steckt, in denen die Produkte auch unterschiedliche Preise haben, weiß man, dass die Nachhaltigkeit nachgeordnet ist. Da ist sie nicht kaufentscheidend.

Hersteller werben jedenfalls immer stärker mit der Nachhaltigkeit ihrer Produkte, auch wenn es vielfach nur ein grünes Mascherl ist. Wo geht der Plan auf?
PETRA RIEFLER: Wenn man sich die verschiedenen Studien dazu anschaut, sind es immer die klassischen Kategorien Lebensmittel, Kosmetik und Putzmittel: Da achten die Leute eher auf Nachhaltigkeit. Bei Kleidung nimmt das Interesse zu. Reisen und Elektrogeräte sind hingegen Nachzügler.

Im Lebensmittelmarkt haben Bioprodukte einen Fixplatz. Kann man davon etwas für andere Bereiche ableiten?
PETRA RIEFLER: Dazu muss man wissen: Bio kauft man typischerweise nicht nur aus ökologischen Gründen. Viele Studien zeigen, dass man annimmt, dadurch auch etwas Gesünderes zu essen. Es geht um den Benefit, den man selbst hat – neben dem, was die Natur davon hat. Generell spielt bei allen Produktkategorien auch der Mehrwert eine Rolle, den man durch den Kauf eines nachhaltigen Produktes hat. Mit Putzmitteln und Kosmetik zum Beispiel kommt die eigene Haut in direkten Kontakt, das ist ein Mitmotiv. Bei Lebensmitteln ist auch das Tierwohl ein großes Thema, viele sind bereit, dafür mehr zu zahlen. Hier geht es stark um den Bezug zu Tieren, nicht nur um biologische Nachhaltigkeit. Ein drittes Thema bei Lebensmitteln ist die Regionalität: Da geht es nicht um Nachhaltigkeit. Freilich, kurze Transportwege sind wichtig, aber ganz stark geht es darum, die heimische Wirtschaft zu stärken. Wir haben selbst einige Studien dazu gemacht: Hier ist der Nachhaltigkeitsaspekt unseren Daten zufolge eher nachgeordnet.

Muss über Öko-Themen mehr geredet werden, damit sich das Konsumverhalten ändert?
PETRA RIEFLER: Die mediale Präsenz bestimmter Themen spielt eine große Rolle: "palmölfrei" etwa war medial eine Zeit lang ein großes Thema, dann war es den Leuten wichtig und die Unternehmen haben darauf reagiert. Anders ist es bei Landverbrauch oder Wasserverbrauch – das ist noch nicht so präsent. Es hängt aber auch davon ab, wie greifbar gewisse Themen sind. Soziale Nachhaltigkeit etwa ist für viele greifbarer: Man assoziiert damit, dass keine Kinderarbeit dabei ist, dass die Leute faire Löhne bekommen.

Greenwashing, also das grüne Mascherl als Werbeschmäh, funktioniert? Oder sind Konsumentinnen dafür schon zu kritisch?
PETRA RIEFLER: Generell sieht man viel Skepsis bei den Konsumentinnen, ob das, was draufsteht, auch drinnen ist. Nachhaltigkeit ist aber ein Thema, das man selbst schwer evaluieren kann. Den Preis kann man schon vorher evaluieren, den Geschmack direkt beim Essen. Wie nachhaltig etwas ist, kann man kaum feststellen. Ich kann mich nur darauf verlassen, dass es von dritter Stelle zertifiziert ist oder dass das Unternehmen auch tut, was es verspricht. Aber es ist schwierig, weil es ja immer auch schwarze Schafe gibt, die das ausnutzen.

"Klimaneutral" oder "klimapositiv" sind denkbar schwammige Begriffe. Beeinflussen Sie uns beim Konsum?
PETRA RIEFLER: Wir sehen aus eigenen Studien, dass die Leute Produkte schon positiver beurteilen, wenn so etwas draufsteht. Gleichzeitig haben die Menschen wenig Ahnung, was das bedeutet. Meistens denken sie, dass es etwas mit der Produktion zu tun hat, und nicht, dass da Klimazertifikate gekauft wurden. Es ist ein Hemmschuh, dass die Leute generell skeptisch sind und nicht genau wissen, was einzelne Label bedeuten. Hinzu kommt das Problem, dass es so viele Labels gibt, dass man aus Konsumentenperspektive den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.

Nachhaltigen Konsum muss man sich auch leisten können. Wie weit geht die Bereitschaft, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen?
PETRA RIEFLER: Das kann man nicht beziffern und es hat auch nicht immer mit dem Einkommen zu tun. Menschen zeigen auch Mehrpreisbereitschaft, wenn ihnen etwas wichtig ist – dafür wird an anderer Stelle verzichtet. Und dann gibt es monetär bessergestellte Menschen, denen Nachhaltigkeit nicht wichtig ist. Man darf das nicht immer mit Kaufkraft gleichsetzen. Es gibt immer wieder Untersuchungen, bei denen gefragt wird: Welchen Prozentsatz wären Sie denn bereit, mehr dafür auszugeben, wenn das Produkt dafür nachhaltig ist? Da bewegt man sich typischerweise bei fünf oder zehn Prozent. Das sind aber keine belastbaren Zahlen, weil die Frage ja nur hypothetisch ist, man muss das Geld nicht wirklich ausgeben.

Stichwort Flugscham: Beeinflusst das schlechte Gewissen bei einem großen ökologischen Fußabdruck den Konsum?
PETRA RIEFLER: Man sieht, dass es das gibt, aber es ist kein Massenphänomen. Viel ökologisches Verhalten hängt auch davon ab, was für einen Vorteil man selber davon hat. Das schlechte Gewissen wird dadurch reduziert oder ausradiert, dass es alle anderen ja auch tun.

Hängt unser Konsumverhalten letztlich immer an Bauchentscheidungen oder würde die Vernunft siegen, wenn wir mehr Informationen hätten?
PETRA RIEFLER: Wir wissen, dass Konsum ganz stark impulsiv und gewohnheitsgetrieben passiert, immer mit beschränkter Informationsverarbeitung – wir verarbeiten ja nie alle Informationen, die wir an sich hätten, um eine sinnvolle Entscheidung zu treffen. Das kann man generell sagen aus der Konsumentenpsychologie. Das trifft auch Nachhaltigkeitsaspekte. Es gibt schon Personen, die sich gründlich informieren, das ist aber auch mit Aufwand verbunden. Diese Gruppe ist folglich klein. Die meisten Konsumentinnen verlassen sich auf das, was sie dort, wo sie einkaufen, an Informationen zur Verfügung haben – typischerweise also auf das, was auf der Verpackung steht. Das hält man dann für wahr oder auch nicht – der Großteil informiert sich jedenfalls nicht weiter.

Nachhaltiges Konsumieren hat auch mit Reduktion und Verzicht zu tun. Wie groß ist die Bereitschaft dazu?
PETRA RIEFLER: Generell ist die Bereitschaft, sich selbst einzuschränken, sehr gering, weil auch nicht gesehen wird, warum man sich einschränken sollte. Wir haben viel dazu erhoben, welche Vor- und Nachteile Leute mit Reduktion oder Mäßigung beim Konsum für sich selbst sehen. Die Menschen haben ein verklärtes Bild: dass sie dann freier wären und autonomer – und dass sie sich auch besser fühlen würden. Gleichzeitig sehen sie sich aber auch als weniger mobil, weniger autonom und weniger flexibel. Das ist ein schwieriges Thema. Eine große Rolle spielen auch die sozialen Aspekte: Wie werde ich von den anderen gesehen? Weil wir ja alle konsumieren – das ist normal, wir definieren uns darüber. Es ist die Frage, ob es goutiert wird, dass man weniger Dinge hat und nicht das Neueste. Oder wird das als seltsam und schräg gesehen? Es ist eine gesellschaftliche Frage, ob wir uns in diese Richtung bewegen können.