Wir essen in Österreich noch immer zu viel Fleisch, nämlich 1,5 bis 2,5 Mal so viel, wie die Österreichische Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Weniger Fleisch wäre besser fürs Klima und für die Tiere. Wie macht man fleischloses Essen populärer?
FELIX HNAT: Beim Essen sollte der Genuss im Vordergrund stehen, nicht der Verzicht. Also muss man Anreize schaffen, statt mit Geboten und Verboten zu agieren. Man hat herausgefunden, dass es für Menschen viel schwieriger ist, extra etwas Pflanzliches zu bestellen. Wenn also zum Beispiel das "Menü des Tages" schon ein pflanzliches Gericht ist, ändern wenige diese Vorauswahl – extra bestellen würden es weniger. Oder wenn Krautfleckerl in der beliebten Kategorie "Hausmannskost" angeführt werden, bestellen das viel mehr Leute, als wenn man sie unter "Vegetarisches" gibt. Für mich ist es ganz wichtig, dass es immer eine Wahlfreiheit gibt. Die Praxis hat gezeigt, dass Zwangsbeglückung nicht funktioniert. Wenn gesundes Essen richtig angepriesen wird, greifen ohnehin mehr Leute dazu, das finde ich besser. Wenn man das Gefühl hat, da wird mir etwas vorgeschrieben oder es wird mir etwas weggenommen, dann lehne ich es ab – wie überall.
Warum funktionieren "gesund, grün, vegetarisch" als Beschreibung in einer Speisekarte nicht so gut?
Obwohl ich für die Vegane Gesellschaft arbeite, sage ich immer: "Wenn Sie pflanzliche Gerichte verkaufen wollen, schreiben Sie nicht 'vegan', 'vegetarisch', 'fleischlos' oder irgendetwas anderes, das zu gesund klingt." Es gibt Studien dazu, dass die Leute damit assoziieren, dass Geschmacksträger in solchen Produkten fehlen. Man hat zwar Vorsätze, dass man gerne etwas für die Umwelt tun würde und man weiß, dass Fleischessen nicht so gut für die Tiere ist. Man würde sich eigentlich gerne fleischfreier ernähren. Aber in der Praxis bestellt man dann doch die Gerichte, die man kennt oder man hat unterbewusst das Gefühl, sie schmecken besser.
Da kann man mit der richtigen Wortwahl ein wenig nachhelfen. In diesem Impulsmoment, wo man die Entscheidung trifft, braucht man positive Motivation. Verkaufsfördernde Bezeichnungen sind zum Beispiel Informationen über die regionale Herkunft wie "Waldviertler Erdäpfel" oder über die natürliche Herkunft wie "Feldgemüse". Auch Geschmacksbezeichnungen wie süßsauer oder würzig funktionieren gut. Man kann auch die Optik beschreiben "Bunte Polentapizza" oder das Mundgefühl wie schmelzend, cremig, knusprig – das regt sie Geschmacksnerven an. Wenn man ein pflanzliches Gericht hat und nur "vegane Nudeln" hinschreibt, nimmt es niemand. "Spaghetti Napoli mit frischem Basilikum" klingen viel g'schmackiger.
Spezielle auf vegetarisch oder vegan getrimmte Speisen, die die Menschen nicht (er-)kennen, kommen bei Fleischessern nicht so gut an und bewegen nicht zum Wechseln. Was könnten also Speisen sein, die auch bei Fleischessern hohe Akzeptanz finden?
Ich lebe 20 Jahre aus Überzeugung vegan. Und da schmeckt einem auch nicht nur gekochtes Gemüse. Aus der Sicht der Fleischesser sind Pflanzen oft nur die Beilage. Dabei geht es bei pflanzlichem Essen nicht nur um Gemüse, sondern auch um pflanzliches Protein wie mit Linsen oder Bohnen. Und damit bekommt das Essen dann auch eine gute Deftigkeit. Nuggets angebraten auf Bohnenbasis erinnern mich zum Beispiel an die Geschmäcker aus meiner Kindheit.
Die beliebtesten vegetarischen Gerichte sind jene, wo man das Fleisch durch eine pflanzliche Proteinquelle ersetzt: Statt Faschiertem gibt es Sojafaschiertes. Soja gibt es heutzutage schon regional aus Österreich mit hohem Bio-Anteil. Chili mit Fleischersatz, Burger aus Bohnen, Nudelgerichte jeder Art. Die Ersatzprodukte werden aber auch immer besser und das Angebot größer. Als ich vor 20 Jahren auf fleischloses Essen umgestiegen bin, gab es nur zwei Sorten Gemüseaufstrich und Sojamilch ungesüßt für 2,80 Euro und eine Sorte Tofu. Heutzutage bieten sogar die Fast-Food-Läden schon vegetarische Burger. Es geht also bei Ersatzprodukten darum, seine Gewohnheiten und die Erinnerungen von früher noch ein bisschen aufrechtzuerhalten. "Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht" – daher nähert man sich gerne vom Geschmack her an Gewohntes an.
Eine Mahlzeit wird immer noch als wertvoller angesehen, wenn sie Fleisch enthält.
Das ist sicher in den Köpfen vieler Erwachsener noch drinnen. Man muss die Ernährung auch gar nicht für alle auf 100 Prozent Pflanzennahrung umstellen. Martin Schlatzer von der Universität für Bodenkultur hat ausgerechnet: Wenn wir nur um 20 Prozent weniger Fleisch äßen, könnte Österreich unabhängig von den Soja-Importen für Futtermittel aus dem Regenwald werden. In Österreich werden über 50 Prozent Getreide an Tiere verfüttert. Wenn wir das nicht mehr für die Tiere brauchen würden, könnte man diese Flächen für den Anbau von Gemüse nutzen. Es geht nicht darum, Fleisch ganz abzuschaffen. Es wird immer Fleisch gegessen werden. Aber es geht um die Menge – und die ist derzeit ökologisch gesehen noch zu groß.