Vom „Weg zurück in die Steinzeit“, Menschen, die im Winter frierend in ihren Wohnungen sitzen, um das Klima zu retten, hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dieser Tage gesprochen. Wie viel Verzicht wird der Kampf gegen den Klimawandel uns abverlangen?
Katharina Rogenhofer: Natürlich wird es Verzicht in einigen Bereichen geben, da kann ich mich nicht rausreden. Aber man darf Verzicht nicht generell mit Verlust an Lebensqualität gleichsetzen. Vielleicht wird es Verzicht auf bestimmte Produkte geben – möglicherweise werde ich kein eigenes Auto mehr haben, sondern eines teilen oder ich brauche gar keines mehr, weil ich leicht auf den Zug umsteigen kann – , aber das Bedürfnis Mobilität ist ja trotzdem noch befriedigt. Und es ist ja nicht so, dass wir jetzt nicht auch auf Dinge verzichten: Wir verzichten jetzt zum Beispiel auf öffentlichen Raum, der von Autos zugeparkt wird, auf gute Luft, auf Grünflächen, auf belebte Ortskerne, weil das Einkaufszentrum am Stadtrand steht. Wir können mit guter Klimapolitik viel Lebensqualität gewinnen. Von Steinzeit kann da keine Rede sein.
Mit Technologien alleine, wie Kanzler kurz es suggeriert hat, wird es also nicht gehen?
Natürlich brauchen wir auch neue Technologien, um die Klimakrise zu bewältigen. Aber viele existieren bereits – und da möchte ich Herrn Kurz den Ball zurückspielen: Warum verwenden wir sie dann nicht? Zum Beispiel: Erneuerbare Energien ausbauen, statt Öl- und Gasheizungen in Neubauten einzubauen.
Verbote, Gebote, Anreize – was ist der richtige Weg, um die Menschen auf den Weg mitzunehmen?
Am wichtigsten ist, dass es echte Partizipation der Menschen geben muss, damit sie die Klimawende mittragen. Als ich für das Klimavolksbegehren durch Österreich gefahren bin, habe ich oft gehört ,Wozu soll ich ein Volksbegehren unterschreiben? Das machen sich die da oben eh untereinander aus.‘ Es gibt gute Konzepte wie einen Bürgerinnenrat oder Projekte zum Ausbau erneuerbarer Energien, bei denen man die Bevölkerung am gewonnenen Strom beteiligt. Wichtig ist auch, dass man eine CO2-Bepreisung macht, die einen sozialen Ausgleich schafft. Aber es wird auch Verbote brauchen, denn sie treffen alle gleich. Wie zum Beispiel ein Tempolimit auf der Autobahn oder auch ein Verbot an Höchstmengen von CO2-Emissionen bei Produkten, wie wir sie bei Schadstoffen ja schon haben.
In Ihrem neuen Buch beschreiben Sie, dass auch Sie im Supermarkt teils ratlos vor den Paradeisern stehen und nicht wissen, welche die beste CO2-Bilanz haben. Welche Informationen müssen Konsumenten bekommen, um nachhaltiger einzukaufen?
Gut wäre, wenn man einfach den CO2-Fußabdruck eines Produkts auf das Etikett schreibt. Aber am allerbesten wäre, wenn sich die Konsumenten gar keine Gedanken machen und vor dem Regal im Supermarkt entscheiden müssten, wie sie die Welt retten. Wir leben in einer Zeit, in der klimafreundliches Verhalten und klimafreundliche Produkte meistens teurer und komplizierter sind – wie zum Beispiel bei Biolebensmitteln oder der Fahrt mit dem Zug. Da muss sich die Logik hinter den Produkten ändern, etwa durch Lieferkettengesetze und CO2-Bepreisung, damit die klimaschädlichsten Produkte am Ende die teuersten sind – oder sich nicht mehr rentieren. Was folgt, wäre eine viel schnellere Anpassung des Markts an Produkte, die die Umwelt weniger belasten.
Das EU-Klimapaket wurde präsentiert, in Österreich wurde das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz beschlossen. Sind das Maßnahmen, mit denen man zufrieden sein kann?
Wissenschaftlicher Konsens ist, dass die präsentierten Maßnahmen nicht ausreichen. Eine Reduktion der Emissionen um 55 Prozent ist nicht genug, die meisten sprechen von minus 60 bis 75 Prozent bis 2030. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung, das will ich nicht kleinreden. Die Frage ist aber auch, wie viel von diesen Plänen man dann auch tatsächlich auf den Boden bringt. Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz in Österreich ist ein großer Meilenstein, an einem neuen Klimaschutzgesetz wird gerade gearbeitet. Da dürfte es in der Koalition heiß hergehen.
Auch ein Datum für das Aus von Verbrennungsmotoren bei Neuwagen ist im EU-Klimapaket ab 2035 vorgesehen. Müssen Pendler in infrastrukturschwachen Regionen dann zwangsläufig zum Elektroauto greifen?
Wenn man über Klimaschutz spricht, dann kommt immer schnell, dass man den Menschen das Auto oder das Schnitzel wegnehmen will, aber auf der anderen Seite wird nicht darüber gesprochen, was wir mit Klimaschutz gewinnen können. Ein Auto, ganz egal welchen Antrieb es hat, verbraucht viele Ressourcen, um einen einzigen Menschen von A nach B zu bringen. Dafür muss ich Tonnen in Bewegung setzen. Da sind andere Fortbewegungsmittel einfach deutlich effizienter. Und natürlich muss Pendlern, die in infrastrukturschwachen Regionen leben, der Umstieg ermöglicht werden. Es können kleinräumig aber auch andere Lösungen als öffentliche Verkehrsmittel wie Sammeltaxis oder E-Bikes für die letzte Meile zum Einsatz kommen.
Österreich ist regelmäßig trauriger Europameister, was den Flächenverbrauch angeht und bekannt für seine Zersiedelung. Wie will man die Menschen zum Verzicht aufs Auto bewegen, wenn man weiterhin so baut?
Die Zersiedelung in Österreich bringt viele Probleme mit sich: Zum einen haben wir Häuser, die wir auf die grüne Wiese bauen, zum anderen gehen damit Flächen verloren, die wir für die Landwirtschaft, die Biodiversität oder auch einfach nur zur Erholung brauchen. Und das Haus auf der grünen Wiese produziert Mobilitätsbedürfnisse – etwa eine Straße und ein Auto. Eine klimafreundliche Stadt oder ein klimafreundliches Dorf sollte sich wieder um einen gemeinsamen Ortskern konzentrieren und kurze Wege haben, die man auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewältigen kann. Statt immer neue Flächen zu versiegeln, muss man Gebäudealtbestand recyceln und verdichten. Man darf nicht weitere Orte produzieren, in denen man keine Alternative zum Auto hat.