Es ist eine Grundsatzdiskussion mit recht klarer Frontenbildung: Während Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) nun per Aktionsplan dem Kunststoffmüll an den Kragen will und von Greenpeace unterstützt wird (wir berichteten), ortet der Fachverband der Chemischen Industrie (FCIO) in Zeiten von Corona wieder mehr Zustimmung für Plastik: Laut einer bei "Marketagent" in Auftrag gegebenen Umfrage verwenden nun viele Konsumenten am liebsten Plastikverpackungen, weil diese lauter ihrer Ansicht Lebensmittel vor Keimen schützen.

Bei Greenpeace hält man dagegen: "In der gegenwärtigen Krise sollten wir Entscheidungen auf der Grundlage der Ratschläge von medizinischen Fachleuten treffen – und nicht über Erkenntnisse der Kunststoffindustrie, die in der Vergangenheit mehr Schaden als Nutzen angerichtet hat", so Konsumexpertin Lisa Panhuber. Weltweit versuche die Kunststoffindustrie "Angst vor dem Corona-Virus auszunutzen und damit den Einsatz von Einwegplastik zu rechtfertigen". Es sei mittlerweile wissenschaftlich erwiesen, dass Mehrweg-Systeme auch während der Pandemie gesundheitlich unbedenklich sind – sofern dabei "simple hygienische Maßnahmen" beherzigt werden.



Für den FCIO betont dessen Geschäftsführerin Sylvia Hofinger im Interview, dass man "alle Maßnahmen, die der Realisierung der Kreislaufwirtschaft dienen, unterstütze". Recycling von Kunststoffverpackungen stelle aber "die beste Lösung" dar. Die Trias, mit der Gewessler durchgreifen will (Quote für Mehrwegflaschen im Handel, Pfand auf Einwegflaschen und Herstellerabgaben für Erstellung und Import von Kunststoffen) sieht man differenziert: "Die Kunststoffindustrie steht Mehrweggebinden im Sinne der Abfallvermeidung auch positiv gegenüber – dort, wo sie ökologisch Sinn machen", so Hofinger. Kunststoffverpackungen seien – vorausgesetzt sie gelangen nicht in die Umwelt – "sehr oft die umweltfreundlichste Lösung". Es sei ein "weit verbreiteter Irrtum", dass Glas die beste Ökobilanz bei Getränkeverpackungen habe.

Eben diese Ökobilanz ist ein Kernpunkt der Diskussion.
Bei Greenpeace hält man fest, dass unabhängige Ökobilanzen – z. B. vom deutschen Umweltbundesamt – ganz klar zeigen, dass Mehrweg die umweltfreundlichste Verpackung sei. Mehrwegglas sei ökologischer als Einwegglas, Mehrweg-PET ökologischer als Einweg-PET. Viele Ökobilanzen würden von Herstellern oder sogar von der Plastikindustrie in Auftrag gegeben werden. "Eine Ökobilanz muss immer sinnvoll abgegrenzt werden, keine Studie kann alle erdenklichen Umweltauswirkungen auf einmal abbilden", so Panhuber.

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"Dort wo Einwegplastik noch nicht vermieden wird, ist zumindest optimales Recycling nötig. Andere Länder zeigen, dass Getränkeverpackungen am effektivsten über ein Pfandsystem gesammelt und recycelt werden", betont sie. Man bekomme "Verpackungsmüllberge nur mit Mehrwegsystemen in den Griff". Seitens der Chemischen Industrie verweist man auf einen Zehn-Punkte-Plan, um die Kreislaufwirtschaft noch weiter auszubauen und den Kunststoffabfall zu reduzieren.



Bei Greenpeace schießt man sich auch auf Diskonter ein, die "endlich handeln und wiederverwendbare Verpackungen anbieten" müssten: "In Österreich bieten zahlreiche Brauereien und Getränkeabfüller Mehrweg-Flaschen an, doch die Blockade der Ketten behindert flächendeckenden Mehrweg-Ausbau seit Jahren." Wäre da noch das Thema Mikroplastik: Hofinger vom FCIO zitiert eine Studie des deutschen Fraunhofer-Instituts, die Reifenabrieb als größten Verursacher von Mikroplastik, Kunststoffverpackungen hingegen nur auf Platz acht sieht.

Bei Greenpeace verweist man auf einen einstimmigen Beschluss im Parlament, wonach die Bundesregierung einen "Aktionsplan Mikroplastik" erstellen solle. Im Visier hat man dabei aber nicht Reifen, sondern Einwegverpackungen sowie das Mikroplastik in Kosmetika und Reinigungsmitteln. Plastik – ein komplexes, emotionales Thema, bei dem auch der Konsument mitreden muss.