Der Muttertag 2020 wird uns Müttern in Erinnerung bleiben. Den einen als ein Tag, an dem sie nach langer Zeit wieder ihre Kinder sehen durften. Den anderen als ein Tag, an dem man sich ihnen widmete, ohne dass sie selbst sich dem hingeben konnten, was auf der Wunschliste oft ganz oben steht: essen gehen, sich bedienen lassen, einen Ausflug machen.

Dabei ist gerade in diesem Jahr der Muttertag davon geprägt, dass in den Tagen und Wochen zuvor das hohe Lied auf die Mütter gesungen wurde: auf die Mütter als Kommandantinnen auf der Brücke des Heimatschiffs.

Auf die Mütter als Heldinnen der Arbeit, die Handel und Pflege aufrechterhielten – auch in Zeiten, in denen sich andere nicht mehr außer Haus trauten.

Auf die Mütter, die das Multitasking auf die Spitze trieben, indem sie den Küchentisch zum Homeoffice machten, am Herd die Familie bekochten und aus der Ferne den Chefs assistierten.

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Auf die Mütter also als Rundum-Wohlfühl- und -Versorgungsstation, die auch unter höchster Anspannung funktionierte, obwohl kaum noch Zeit zum Atmen war.

Die unangenehmen Wahrheiten

Der Lockdown hat in den meisten Fällen nicht zum Zusammenbruch des innerfamiliären Systems geführt, weil insbesondere die Mütter durchgehalten haben. Noch ist die Krise nicht vorbei, aber sie hat den Blick freigelegt auf ein paar unangenehme Wahrheiten.

Das Homeoffice ist kein Rückzugsort. Nach wie vor sind die Mütter „hauptamtlich“ für die Kinderbetreuung zuständig. Auch und gerade in Zeiten der Krise. Dabei hätte die explosionsartige Verbreitung des mobilen Büros als beruflichen Daseins-Zustand hoffen lassen können, dass Mütter und Väter nicht nur den Schreibtisch miteinander teilen, sondern auch die Betreuung der Kinder, denen die Krise Hausarrest verordnete.

Weit gefehlt, zeigt eine Studie des Sora-Instituts im Auftrag des Momentum-Instituts. Während der Krise kümmerten sich drei Viertel der Mütter, aber nur knapp zwei Drittel der Väter im Homeoffice um die Kinder.

Generell trugen während der Krise in 42 Prozent der Fälle die Mütter die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung, in nur 23 Prozent die Väter.

Das 24-Stunden-Heim ist kein Paradies. Nach fast zwei Monaten Ausnahmezustand sind die Nervenkostüme der Eltern zum Zerreißen gespannt. Und je länger es dauert, desto mehr ruht die Belastung auf den Schultern der Mütter.

Schulen öffnen nur langsam. Kindergärten sollen nur im Notfall frequentiert werden. Unverhohlen wurde den Eltern – gemeint wohl vor allem die Mütter – nahegelegt, die Kinder weiter zu Hause zu betreuen.

Am schlimmsten traf es Familien mit Kleinkindern, die auf engstem Raum leben, arbeiten und ihre Gefühle ausleben mussten. Eine Befragung der Uni Wien zeigte, dass die Konflikthäufigkeit innerhalb von Familien im Zuge der Krise massiv zugenommen hat. 23 Prozent der Befragten geben an, dass es seit Beginn des Ausnahmezustands mehr Auseinandersetzungen in ihrer Beziehung und Familie gibt. Für ein Drittel der Familien stellt die Kinderbetreuung ein Problem dar. Für Alleinerziehende und Familien mit zwei oder mehr Kindern ist die Situation am schwierigsten.

Eine Auswertung nach dem Alter des jüngsten Kindes macht deutlich, dass Probleme mit der Kinderbetreuung am häufigsten (46 Prozent) in Familien mit Kindern im Vorschulalter (3 bis 5 Jahre) auftreten. Mit Kleinkindern (0 bis 2 Jahre) sind viele Mütter noch in Elternkarenz, sodass die Kinderbetreuung abgedeckt ist. Kinder im Schulalter (6 bis 14 Jahre) sind oft schon selbstständiger – insbesondere Teenager – sodass Kinderbetreuung seltener als problematisch wahrgenommen wird; rund ein Viertel hatte Probleme (27 Prozent).

Beziehungsarbeit ist meist Frauensache. Familienarbeit ist Beziehungsarbeit, und die Beziehungsarbeit ist vielfach immer noch die Sache der Frauen. Die Krise hat dabei nicht nur negative Seiten. So manche Mutter weiß auch davon zu berichten, dass das Gesellschaftsspiel Hochsaison hat und dass beim Spielen die ganze Familie wieder mehr zueinanderfand, als es die sonst übliche Vereinzelung beim Computerspiel ermöglicht. Die aufgezwungene Isolation machte den Wert des Miteinander auf neue Weise sichtbar, belebte das soziale Innenleben vieler Familien auf wohltuende Weise. Doch in vielen anderen Fällen ließ die Überforderung dafür kaum Raum.

Schule kann durch nichts ersetzt werden. Die Überforderung entstand durch die Enge des verfügbaren Raumes und dadurch, dass institutionelle Unterstützung ausblieb bzw. ebenfalls in häusliche Zuständigkeit übertragen wurde, etwa rund um die Schule: Die Lehrer nahmen den Auftrag, auf „Homeschooling“ umzustellen, so ernst, dass die Arbeitslast oft nur mit Unterstützung der Eltern – inhaltlich wie technisch – zu bewerkstelligen war. Wo diese Unterstützung nicht geleistet werden kann, geht die Schere zwischen den „Guten“ und den „Schlechten“ weiter auf, mit fatalen Folgen für berufliche Perspektiven. Oft sind es im Übrigen Mädchen, auf deren Teilhabe an den Bildungs- und Förderangeboten zu wenig Augenmerk gelegt wird.

Die Krise trifft Mütter stärker. Das dicke Ende kommt erst. Zuletzt war es die Finanzkrise 2008, die deutlich zeigte, dass es Frauen öfter als Männer und Mütter öfter als Väter waren, die in ihrer Existenz nachhaltig bedroht waren.

Auch das Europäische Parlament stellte in einem Bericht fest, dass die Frauen im Zuge der damaligen Krise nicht die ersten Opfer waren, von den Folgen der Krise aber stärker und auch nachhaltiger betroffen waren, was sich unter anderem durch einen Anstieg von prekären Arbeitsverhältnissen und Teilzeitbeschäftigung ausdrückte, begleitet von höherem Kündigungsrisiko und niedrigeren Löhnen. Oft entschieden sich Firmen für Männer und gegen Frauen, wenn es darum ging, wer die blauen Briefe bekommen sollte. Unter dem Motto: „Da gibt’s eh auch noch einen Mann, der verdient.“

Und: In Österreich müssen sich heute 39,2 Prozent der Frauen in Teilzeit um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmern und können dadurch nicht mehr bezahlte Arbeit leisten. Bei Männern sind es nur 6,2 Prozent. Die Corona-Krise dürfte den Druck verstärken. Neun lange Sommerwochen stehen den Eltern ins Haus, Urlaube sind teils verbraucht, Großeltern fallen als Unterstützung aus.

Frauenberufe sind weniger wert. In der Krise richtete sich der Blick mehr denn je auf „systemrelevante“ Berufe, die in Frauenhand sind und entsprechend niedrig entlohnt werden, etwa die Pflegerinnen, die Regalbetreuerinnen oder die Kindergartenpädagoginnen. Werden ihre Löhne jetzt erhöht? Liefert die flächendeckende Kurzarbeit den Beweis dafür, dass eine Arbeitszeitverkürzung, wie zuletzt im Pflegebereich gefordert, auch nach der Coronakrise machbar ist? Was nicht nur die berufliche Belastung verringern, sondern auch Müttern den Alltag erleichtern würde.

Eher nein. Die Krise mündete ja nicht in die Katastrophe. Frauen und Mütter haben anstandslos funktioniert.