Eine dreiseitige Riesenleinwand, mächtige Basstöne aus gigantischen Boxen und viele Menschen auf wenig Raum. 2000 IT-Freaks sollen es im "Center de Concencions Internacional" schlussendlich gewesen sein, die dem ersten großen Ausrufezeichen des "Mobile World Congress", einer der weltweit größten Mobilfunkmessen, entgegenfieberten. Samsung hatte geladen - listigerweise noch einen Tag bevor die Messe am Montag offiziell eröffnet wird.
Als Younghee Lee, Samsungs Vize-Präsidentin, den Raum betritt und der Veranstaltung Leben einhaucht gibt das W-Lan zum ersten Mal gänzlich den Geist auf. "Tonight is big", lässt sie, abgefilmt von unverschämt vielen iPhones, unbeeindruckt wissen. Pause, Lächeln, das Warten auf stürmischen Applaus - dieser tröpfelt vorerst nur sehr spärlich, eher höflich, herein.
Die 0,7-Sekunden-Kamera
Kurz später kommt JK Shin, Samsungs zuletzt umstrittener Oberboss, auf die große Bühne. Auch er macht sich mit vielen aufgeregten Sagern und inszenierten Ruhephasen auf die Suche nach dem in Tech-Kreisen gern gehörten Jubel-Gekreische, das nun zumindest regelmäßig als kleiner Applaus-Bruder aufkeimt.
Zurecht, weil Samsungs neueste Smartphone-Flaggschiffe, "Galaxy S6" und das auf beiden Seiten abgerundete "Galaxy S6 Edge", trotz vieler treffender Vorahnungen der letzten Wochen einiges Überraschendes zu bieten haben.Informationen fluten den Raum. Hängen bleiben die gedanklichen "Ahs" und "Ohs". Etwa, als Samsung verkündet, dass "kabelloses Laden endlich angekommen" sei, weil die neueste Galaxy-Generation auch mittels einer Induktionsplatte aufgeladen werden können. Grundsätzlich soll die Ladefähigkeit eine Stärke der neuen Samsungianer sein. Dem Galaxy S6 sollen zehn Minuten Aufladezeit reichen, um die Lebensdauer des Geräts auf bis zu vier Stunden zu verlängern.
Zufriedenen Applaus setzt es auch, als gesagt wird, dass die Kamera der beiden rund 135 Gramm schweren Handys mittels Doppelklick auf den Startknopf innerhalb von 0,7 Sekunden betriebsbereit sein soll.
Schmunzeln kehrt in den Saal schließlich zurück, als Samsung seine Steifheit ein wenig ablegt und über Apples iPhone süffisant herzieht. So würde das neue Metallgehäuse des Galaxy S6 garantieren, dass es zu keinem Verbiegungs-Schlamassel ("Bendgate") komme.
Eines scheint trotz der vielen Neuerungen klar: Mit Hardware-Innovationen allein wird es Samsung schwer fallen, die wachsende Konkurrenz in Schach zu halten. Ohne überzeugende Inhalte, Software und Services für die Nutzung unterwegs werde Samsung in diesem Jahr Probleme haben, ließ jüngst auch Thomas Husson von der Marktforschung Forrester wissen.
Wie dem auch sei. Samsung macht sich jedenfalls auf den Weg, neue Kuden zu finden. So setzt man auf das Thema Sicherheit, um stärker ins Blickfeld von Unternehmenskunden zu rücken. Seine neuen Flaggschiffe statteten die Koreaner mit umfangreicher Sicherheitssoftware aus - deren Funktionsweise allerdings vorerst im Dunkeln bleibt. Das S6 und das S6 Edge seien zumindest die "aktuell sichersten Geräte", verspricht Samsung.
Die noble Uhr und eine 3D-Brille namens "Vive"
Was der Tag vor der offiziellen Messeeröffnung in Barcelona sonst noch brachte? Huawei und HTC luden zu großen Präsentationen, wobei beide zumindest für kleine Überraschungen sorgten. Huawei etwa mit dem Faktum, dass sie kein neues Smartphone, sondern "nur" zwei Fitnessbänder und eine Computeruhr präsentierten. Wobei die "Huawei Watch" mit 40 verschiedenen Oberflächen und einem noblen Design durchaus Gefallen finden kann.HTC wiederum überraschte, weil die Taiwaner jetzt mit der "Vive" auch eine Brille zur Darstellung von virtuellen Realitäten besitzen - und damit in direkte Konkurrenz zu Samsungs Gear VR oder der Oculus Rift treten.
Etwas unter ging indessen die Vorstellung des neuesten Smartphones HTC One (M9). Was auch daran liegen kann, dass Unterschiede zum Vorgänger M8 sehr genau, vielleicht zu genau, gesucht werden müssen.
Markus Zottler, Barcelona