Johannes Gruber hat keine Zeit. Er siedelt. Mit ihm 120.000 Bienen. Die neue Adresse liegt um 300 Meter höher als die alte. Im Tal war es der Nektar der Kirschblüte, die den Standort bestimmte. Hier im Naintschgraben in der südöstlichen Steiermark ist es der Löwenzahn, der in diesen Höhen ab 1. Mai sein volles, geschmacksintensivstes Goldgelb entfaltet.Das Siedeln sind Johannes Gruber und seine Bienen inzwischen gewohnt. Schließlich ist der Oststeirer Wanderimker und seine Bienen demnach Wanderbienen. Man würde dem 54-jährigen sogar abkaufen, dass er seine Tiere noch wie anno dazumal auf den Buckel geschnallt durch die Wälder auf die Anhöhen rund um seinen Hof in Buch-St. Magdalena, eine knappe Fahrtstunde von Graz entfernt, bringt.
Seine sehnigen Arme und seine breiten Schultern hätten definitiv die Kraft dazu. Die helle Arbeits-Latzhose wäre robust genug für diesen Aufstieg. Der wache Blick des Imkers verrät die Kenntnis der Region, um auf kleinen Waldwegen beispielsweise auf Stuhleck zu gelangen. Das ist die höchste Lage auf der Johannes Grubers Bienen einige Wochen im Jahr Waldhonig sammeln.
Ein Abbild der Landschaft
Die Kenntnis der Region braucht der Steirer auch, wenn er Bienenstöcke mit dem Wagen an besagte Stellen transportiert. Für die Bienen beginnt das Jahr im Tal. Dort haben sie heuer einen der besten Akazienjahrgänge seit Anbeginn gesammelt. Gruber: „Das trockene, warme Frühjahr hat uns einen der geschmacksintensivsten Akazienhonige beschert, die ich je gekostet habe.“
Um den 1. Mai herum, ging es für die Bienen in 20 von Grubers 250 Stöcken in den Naintschgraben. Dieser liegt auf 600 Meter Seehöhe. Die Löwenzahnblüte beginnt dort dementsprechend später. Dem Löwenzahn folgt der Bergahorn, etwa ab Anfang August sind die Bienen im Waldhonig-Modus. Der heurige Jahrgang fällt für Waldhonig allerdings nicht ideal aus. Gruber: „Die Trockenheit und Hitze ab Ende Juni haben allen Pflanzen sehr zu schaffen gemacht. Der Regen Ende August, hat den Nektar von den Wipfeln der Nadelbäume gewaschen. Und die Bienen fliegen weniger, wenn es regnet.“Ein Lagenhonig, auf den Gruber besonders stolz ist, ist der von der Lage „Stuhleck“. Für einen Weingarten sind 1800 Meter Seehöhe zu hoch. Für Grubers Bienen und reinsortigen Waldhonig aus den Fischbacher Alpen sind diese genau richtig. Auch hier sei der Jahrgang heuer solide aber nicht herausragend ausgefallen, so der Imker. Auf den Waldhonig folgt der Buchweizenhonig. Dieser zeichnet sich durch seine heuartigen, herben Noten aus. Dann geht es für die Bienen in feuchtere Gefilde, um sich ab Anfang September mit Springkraut und Goldrute für den Winter zu widmen. Diesen Honig entnimmt Gruber nicht. „Man muss den Bienen auch etwas lassen. Nur mit Zuckerwasser durch den Winter, das ist ja auch nichts“, sagt der Imker.
Ein Imker am Balkan
Danach heißt es für Bienen und Imker Winterruhe. Eigentlich. Denn während die Bienen ruhen, reist der Wanderimker weiter. Aktuell ins Balkangebiet, zur Recherche für sein inzwischen drittes Buch. Gruber: „Es soll ein kulinarischer Reiseführer in ein noch weitgehend, unentdecktes, aber spannendes Gebiet werden.“ Natürlich führt der Weg für den Imker über den Honig. „Die Honige, die ich vor wenigen Wochen in Nordmazedonien verkostet habe, strotzten nur so vor dunkler Karamellwürze und kräutrigen Anklängen.“
Die Sprache, um Honige zu beschreiben, borgt Gruber sich von den Weinen aus, um diese von dort ausgehend weiterzuentwickeln. „Wenn Honige heute sensorisch besprochen werden, dann nur, ob sie fehlerhaft sind, oder nicht. Den Umstand, dass Honige genauso, wenn nicht noch mehr, Abbild der Landschaft sind, vergessen viele“, so der Imker.
Schließlich haben die Bienen einen Flugradius von vier Kilometern. Und das, was in diesem Umkreis wachse, sei schließlich auch im Honig zu finden. Dass die Honige reinsortig sind, erkennt Gruber beispielsweise an dem dunkelgelben Wachs, dass die Bienen während der Löwenzahnblüte bilden, aber auch am intensiven Geruch nach Löwenzahn.Der Bergahorn wiederum verpasse dem Honig eine dunkle, toffeeähnliche Note, so der Imker, der die Wein- beziehungsweise Honigsprache auch deswegen beherrscht, weil er bevor er in die Fußstapfen seines Vaters trat, 18 Jahre im Wein tätig war. 20 Jahre Wien, zwei Jahre in Paris und Südfrankreich schulten den Gaumen des Steirers auf Lebensmittel, die die Landschaft, in der sie entstehen abbilden.
Seit 20 Jahren kümmert sich Johannes Gruber nun um Bienen und deren Honig. Auf andere Weise als sein Vater, der 70 Jahre lang mit Bienen arbeitete und in manchen Dingen doch gleich. „Den Naintschgraben hat mein Vater als gute Lage entdeckt. Die Honige daraus, werden mich immer an ihn erinnern“, so der 54-jährige Imker.
Nina Wessely