Appetitlich schaut so ein trocken gereifter Fleischbrocken auf Anhieb nicht aus. Der Anblick von dicker Schimmelschicht und schwarzem, hartem Rinderrücken wirkt wenig einladend. Doch mit wenigen Schnitten hat Küchenchef Helmuth Gangl den Lungenbraten aus dem Rinderrücken ausgelöst und vor uns liegt ein herrlich marmoriertes Stück Fleisch.
Der gebürtige Südoststeirer ist im Wellnessresort „Reiters Reserve“ für alle kulinarischen Belange verantwortlich. Und kann auf eine hauseigene Rinderfarm zurückgreifen. Die Herde besteht derzeit aus Black Angus, Pinzgauer, Galloways, Gnus. Alle in Mutterkuhhaltung, ganzjährig im Freien und in der Natur.Geniale Möglichkeiten für einen Produktfanatiker wie Gangl. Er hat von „Farm to table“ alles unter Kontrolle: „Auf unserer Landwirtschaft haben wir im Jahr 2019 eine eigene Hofschlachtung gebaut. Diese dient zur stresslosen Schlachtung und zur nachhaltigen Verarbeitung des gesamten Rindes. Das Fleisch wird direkt verarbeitet oder in den Kühlhäusern zu Dryaged-Beef gereift.“ Das Resultat kann sich sehen, riechen und vor allem schmecken lassen. Und dabei wären wir schon beim Thema des Tages: der Reifung.
Fleischveredelung
Rezepttipp
Das milde Fleischaroma, das durch die Enzymaktivitäten positiv beeinflusst wird, wird immens gesteigert, da geschmacklose Flüssigkeit entzogen wird und der aromatische Teil des Fleischs entsprechend zunimmt. Fleischreifung ist erstaunlicherweise ein Thema, dass kaum besprochen wird.Also. Warum lässt man Fleisch eigentlich reifen? Nach dem Schlachten startet eine Reihe von chemischen Prozessen. Der Muskel erschlafft. Die Sauerstoffversorgung in den Zellen wird unterbrochen. Der pH-Wert sinkt und die Muskelfasern werden fest. Weniger elegant: die Totenstarre setzt ein. Würde man zu diesem Zeitpunkt Rindfleisch essen, wäre es kaum zu kauen. Deswegen lässt man Fleisch reifen, denn bei der Reifung lockern sich die Fasern wieder und es wird zart.Für die moderne Massenproduktion reifen die Stücke im Vakuumbeutel. Das geht schnell und einfach. Weil das Fleisch im eigenen Saft liegt, leidet aber der Geschmack. Dry Aging verspricht dagegen das ursprüngliche Geschmackserlebnis. Gangl fasziniert vor allem das Aroma: „Das Besondere an Dry-aged-Beef ist, dass es sehr vielschichtig, nussig und rund schmeckt.“ Der Koch arbeitet aber auch mit anderen Reifemethoden wie der Talgreifung.Ob das Fleisch gut gereift ist, kann man übrigens mit einem simplen Fingerdruck feststellen: Mit dem Daumen kurz ins Fleisch drücken. Bleibt die Mulde für mehrere Sekunden, ist es perfekt gereift. Verschwindet die Mulde jedoch sofort wieder, ist das Fleisch zu fest und braucht noch Zeit.