Hanns Hatt hat Schnupfen. Dem bekannten Geruchsforscher der Ruhr-Universität Bochum schwebt derzeit vor allem Eukalyptus- und Salbeiduft in der Nase. Beim Wort Weihnachtsduft allerdings braucht er nicht allzu lange zu überlegen: „Die Kekse meiner Mutter, die Gans und der frische Tannenbaum!“ Den meisten von uns kommt das vermutlich sehr bekannt vor. Gibt es ihn also, den Duft von Weihnachten? „Einen weltweiten Weihnachtsduft gibt es nicht, aber dafür hat jeder seinen ganz persönlichen Weihnachtsduft. Dieser Duft entsteht, wenn eine persönliche Weihnachtserfahrung mit bestimmten Düften verknüpft wurde“, so Hatt. Der Mensch schafft sich so sein ganz persönliches olfaktorisches Erinnerungsalbum. Ist etwa Lebkuchengewürz Teil dieses Albums – weil wir uns an die wunderbaren Kekse der Oma erinnern –, ruft unser Gedächtnis beim Duft von Lebkuchen genau jene Erinnerungen und Emotionen ab.

Lange Zeit war unser Geruchssinn ein Mysterium, 2004 wurden die US-Wissenschaftler Richard Axel und Linda B. Buck für dessen Entschlüsselung sogar mit dem Nobelpreis geehrt. Zu Recht, denn unser Geruchssinn ist eine Meisterleistung der Natur, das Wort Zinken eine schändliche Beleidigung. Immer weiter wurde in den letzten Jahren jene Zahl an Gerüchen nach oben geschraubt, die der Mensch unterscheiden kann. Aktuelle Forschungsergebnisse sprechen davon, dass der Mensch bis zu einer Billion Gerüche unterscheiden kann. Und dennoch reagiert er bei einer Handvoll Gerüche wie Orange, Zimt und Tannenbaum betört, ja, nicht selten sogar nostalgisch. Kein Wunder, wie Hatt erklärt: „Weihnachten ist ein Duft, der schon sehr früh geprägt wird. Und da Weihnachten in der Kindheit meistens am schönsten ist, vor allem auch in der emotionalen Bedeutung, sind gerade die Düfte, die man von der Kindheit her mit Weihnachten verknüpft, besonders intensiv und zumeist positiv besetzt.“ Die mollige Wärme von Innenräumen im Winter verstärkt den duftenden Eindruck noch zusätzlich.

Die Kunst der Betörung


Dass sich die meisten persönlichen Weihnachtsduftrezepte dann doch sehr ähneln, ist vor allem dem gemeinsamen Kulturkreis geschuldet. Das Grundprinzip Weihnachtsbaum, Weihnachtskekse und Kerzen sorgt dementsprechend auch für sehr ähnliche Duftprägungen. Teilen also Zimtstangen und Punsch doch kein gut gehütetes Geheimnis miteinander? Beherrschen Tannenbaum und Mandarine nicht in besonderem Maße die Kunst der Betörung? „Nein, die haben kein Geheimnis, sondern sind nur mit dem positiven Bild besetzt“, zerstört Hatt das Bild von der magischen Zimtstange. „Kein Duft riecht positiv oder negativ. Jeder Duft ist eigentlich völlig neutral, so lange, bis Sie ihn zum ersten Mal wahrgenommen haben. Danach wird bewertet. War es ein schöner Augenblick, wird dieser Duft positiv sein, war es eine negative Situation, wird dieser Duft für mich negativ besetzt sein.“


Generell plädiert Hatt dafür, das Augenmerk zu Weihnachten nicht nur auf die klassische Weihnachtsdekoration zu legen, sondern sich auch in Sachen Duft zu engagieren. Gerade für Kinder kann die Erarbeitung von Düften besonders lohnend sein. Vor allem Naturdüfte – vom einfachen Bienenwachs bis hin zu hochwertigen ätherischen Ölen – kann die olfaktorische Palette reichen. Nützlich ist solch eine Prägung allemal, wie der Duftforscher erklärt: „Mithilfe dieser Düfte kann man immer wieder die Bilder, die Stimmung und sogar die Emotionen wieder zurückholen. Das ist was Schönes und ein großer Vorteil.“


Wer übrigens negativ auf Weihnachten gepolt wurde und den Geruch von Zimt & Co. als Zumutung empfindet, der kann – so Hatt – immer noch zum Weihnachtsfan mutieren, so man das will. Wobei das Schärfen des eigenen Geruchssinns auch abseits von Weihnachten mehr als Sinn macht – wie etwa die Prägung auf Düfte zur Steigerung der eigenen Konzentration. Aber das muss wohl bis nach Weihnachten warten, denn welcher Duft kann den von frischen Keksen wohl übertrumpfen? Vielleicht nur jener des Frühlings, aber davon können wir derzeit wohl nur träumen.