Sie haben Anfang der 70er eine Revolution in der Küche eingeleitet - das Bewusstsein für Qualität verändert, eine Sensibilisierung für das Produkt geschaffen. Wie hat man darauf reagiert?

ECKART WITZIGMANN: Wir hatten keinen leichten Start im "Tantris", wurden als Fresstempel beschimpft. Ich habe mich oft falsch verstanden gefühlt - man hat Dinge reklamiert, die perfekt waren. Ein glasiger Fisch, ein Soufflé mit flüssigem Kern, knackiges Gemüse, rosa gebratenes Fleisch - heute ist das selbstverständlich, es war zu früh für die Leute.

Brachten die Guide-Michelin-Auszeichnungen das Umdenken?

WITZIGMANN: Es hat sich damit viel in der Entwicklung getan. Aber die Grundprinzipien der Nouvelle Cuisine bestehen ja heute noch - Frische, ein gutes Produkt, leichte Saucen, Kräuter.

Dieses Video könnte Sie auch interessieren

Was meinen Sie - ist es denkbar, dass noch einmal ein ähnlich großer Ruck durch die Küche geht und die "Nouvelle Cuisine 2.0" erfunden wird?

WITZIGMANN: Wir dürfen nicht vergessen, dass eine neue Klientel da ist. Eine Generation, die ein anderes Essverhalten hat. Wie viele Leute ernähren sich stehend, in der Kantine? Fast Food ist eine Lawine, die noch nicht im Tal ist.

Was wird sich also tun?

WITZIGMANN: Den zahlenden Gast, der gewillt ist, Leistung zu honorieren, wird es trotzdem immer geben. Es gibt immer Leute, die neugierig sind und drei gegen 36 Gänge tauschen. Ich muss aber als Gast wissen, wohin ich gehe. Wenn ich in die Oper gehe, weiß ich auch, dass ich Wagner sehe.

Und wenn ich noch nicht bereit für Wagner bin?

WITZIGMANN: Dann gehe ich eben zum Zigeunerbaron. Viele Leute haben den Schweinsbraten im Hinterkopf - einfach heißt aber noch lange nicht einfallslos.

Gibt es heute noch einen, von dem man sagt: Der ist mutig, der kämpft gegen Vorurteile an?

WITZIGMANN: Es gibt eine ganze Armada von ausgezeichneten jungen Leuten weltweit. Früher hatte man mit einem französischen Pass ein dickes Plus. Heute kennt gute Küche keine Landesgrenzen, sie ist international. Jeden Augenblick wird ein neuer Trend in die Welt gesetzt.

Was liegt denn im Trend?

WITZIGMANN: Natürlich gibt es den Veganismus und all das, aber es gibt in dem Sinn keinen Trend. Denn die Küche hat neue Dimensionen erreicht - in der Präsentation, in der Optik. Sie ist so facettenreich, in der Vielzahl an Küchen ist alles erlaubt. Das Schöne daran ist, dass Platz für alle da ist - der eine geht lieber ins Wirtshaus, der andere zum Asiaten. Und erst die Restaurantführer!

Wie soll man als junger Koch mit Kritik umgehen?

WITZIGMANN: Kritik ist wichtig, solange sie objektiv ist und fundiert ist. Man muss sie auf sich zukommen lassen, darüber nachdenken und dann das Rückgrat haben, nichts zu verändern. Die ganzen Strömungen kommen und gehen zu lassen. Man muss sich zu seiner Küche bekennen, sollte eine Handschrift erkennen lassen, eine klare Aussage. Und man darf nicht am Gast vorbeikochen.

Ist der Gast heute kritischer?

WITZIGMANN: Die Gäste heute sind gastronomisch gebildet. Man darf den Gast nicht für dumm verkaufen, das ist der größte Fehler, den man machen kann. Man muss immer wachsam sein.

Bekommt die österreichische Küche international die Anerkennung, die sie verdient?

WITZIGMANN: Nein, die Anerkennung ist stiefmütterlich. Dabei ist es großartig, was hier geleistet wird. Auch in der Breite. Was die Österreicher etwa aus Saibling machen, ist herrlich. Da haben sie Vorbildfunktion.

Weil sie schon früh statt Lachs heimischen Fisch verwendet haben - wie die Obauers in Werfen?

WITZIGMANN: Ja. Heute können Lebensmittel zwar binnen kurzer Zeit von überallher beschafft werden - wenn man aber weiß, wo die Wurzeln liegen, ist es wichtig, sie aufzugreifen.