Ein Kalbsschnitzerl ist etwas Feines. In knuspriger Panier ist das original Wiener Schnitzel auf nahezu jeder Gasthauskarte verzeichnet. In den bürgerlichen Haushalten des 19. Jahrhunderts verdrängte es als Festtagsspeise sogar den Weihnachtsbraten.
Der Stellenwert von Kalbfleisch ist also hoch, hartnäckig hält sich aber das Gerücht, es müsse möglichst „weiß“ sein, um qualitativ zu bestehen. Ein Irrtum, wie die Mitglieder der Vereinigung „Koch.Campus“ nun aufzeigten. Bei einer Blindverkostung im Stiegl-Gut Wildshut in Salzburg testeten rund 70 Experten aus Österreich und den Nachbarländern Fleisch von unterschiedlichen Kälbern – mit dem Ziel, herauszufinden, welche Haltung und Fütterung die beste Fleischqualität liefert. Das Ergebnis ist erstaunlich.
Rosé statt Weiß
Von neun Tieren, darunter sieben aus österreichischer Landwirtschaft, je ein deutsches und ein holländisches Mastkalb, wies letzteres zwar die hellste Farbe von allen auf, landete aber in der sensorischen Überprüfung – Geschmack, Konsistenz und Mundgefühl – auf dem letzten Platz. Roséfarbenes Fleisch schnitt durchwegs besser ab – wie etwa das des Siegers der Blindverkostung, das Biokalbfleisch von Michael Kerschbaumer aus Radenthein in Kärnten.
Die Fütterung mache den Unterschied, erklärte Biobauer und Metzger Hannes Hönegger und plädiert in seinem soeben erschienen Buch „Das Goldene Kalb“ für kurze Wege, nachhaltige Landwirtschaft und Tierwohl.
Das Ergebnis der Verkostung widerspricht jedenfalls der Handelsbilanz: Nahezu jedes dritte Kalb, das hierzulande auf den Teller kommt, wird in den Niederlanden gemästet. „Österreich exportiert rund 45.000 Kälber lebend und 55.000 geschlachtet, während das Fleisch von etwa 105.000 Mastkälbern aus Holland importiert wird“, erklärt Maria Fanninger von der Initiative Land schafft Leben.
Der „Koch.Campus“, dem Topköche und -produzenten in ganz Österreich angehören, wolle mit der Verkostung auf Missstände hinweisen und „Köche und Konsumenten darin bestärken, sich über die Herkunft ihres Kalbfleisches zu informieren und zu heimischen Produkten zu greifen“, wie Initiator Andreas Döllerer betont. Dass es am Ende nicht immer ein Wiener Schnitzel sein muss, zeigt der Vier-Hauben-Koch im folgenden Rezept.
Geschmortes Kalbsvögerl
... von Vier-Hauben-Koch Andreas Döllerer, Golling
Zutaten für 4: 4 ausgelöste Kalbsvögerl à 250 g, Salz, Pfeffer, 100 g Butter, 300 g Wurzelgemüsewürfel (Lauch, Sellerie, Gelbe Rübe, Zwiebel), 200 ml Weißwein, 400 ml Rindsuppe, 1 Rosmarinzweig, 2 EL Sauerrahm, 2 TL Mehl, 300 g Gemüsejulienne (Lauch, Karotte, Gelbe Rübe, Sellerie), etwas geschlagenes Obers, weißer Pfeffer; für die Nockerl, 11 Eier, 500 g Dinkelmehl, Salz, Muskatnuss, 50 g Butter, Schnittlauch.
Zubereitung:
1. Fleisch. Vögerl salzen, pfeffern, in 50 g Butter rundherum anbraten. Wurzelgemüsewürfel zugeben, kurz mitrösten. Mit Weißwein ablöschen, mit Suppe auffüllen, Rosmarin einlegen. Deckel aufsetzen (nicht ganz zugedeckt) und das Fleisch im vorgeheizten Backrohr bei 160 Grad rund 2 Stunden schmoren. Überprüfen, ob das Fleisch zart und weich ist. Wenn nicht, einige Zeit weiter schmoren lassen.
2. Sauce. Fleisch aus dem Topf nehmen, beiseitestellen. Rosmarin entfernen. Sauce passieren, Sauerrahm mit Mehl verrühren und die Sauce damit binden. Sauce noch 5 Minuten leicht köcheln lassen.
3. Fertigstellen. In einem Topf das Juliennegemüse in 50 g Butter anschwitzen, salzen, mit der Schmorsauce auffüllen. 5 Min. leicht köcheln lassen. Vor dem Servieren Obers unterziehen, abschmecken. Vögerl in der Sauce erwärmen.
4. Nockerl. Parallel Eier und Mehl glatt rühren, salzen, mit Muskatnuss würzen. Durch ein Spätzlesieb in kochendes Wasser drücken, kurz kochen, mit einem Gitterschöpfer in eine Pfanne mit heißer, aufgeschäumter Butter geben. Mit frisch gehacktem Schnittlauch bestreuen, zum Fleisch servieren.
Birgit Pichler