Jamie Oliver hat einmal gesagt, man müsse nicht Französisch sprechen, um kochen zu können. Dennoch gilt die klassische französische Küche nach wie vor als Grundlage unserer heimischen Herdkunst. Was hat Sie bewogen, sich mit "Culinary Timepieces" diesem Thema zu widmen?
Annette Sandner: Zum einen würdigt das Projekt die klassische Kochkunst und die Grundlage, die damit für die Kulinarik geschaffen wurde, wie wir sie heute schätzen. Ich wollte die Schönheit der ursprünglichen Rezepte, des Handwerks und der Lebensmittel hervorheben – in einer Zeit, in der oftmals mehr „Show“ als „Substanz“ auf den Teller kommt. Die alten Speisekarten und Bücher üben außerdem eine besondere Faszination aus: Sie erzählen so viele Geschichten von Genuss und Tradition!

Woher rührt Ihre persönliche Liebe zur klassischen Kulinarik?
Ich denke, wer Kulinarik liebt und sich wirklich damit ernsthaft befasst, kommt um die „Klassik“ nicht herum. Den Fokus auf das Handwerkliche, auf Geschmack und auch die Perfektion in der Einfachheit vermisse ich an manchen Stellen der „modernen“ Küche. Am Ende gehen eben doch die meisten Zubereitungsarten und unschlagbare Zutaten-Kombinationen auf ganz traditionelle Rezepte zurück, die durchaus auch fachlich Struktur haben. Und ganz ehrlich: Wer sagt schon „nein“ zu einem perfekten Omelette, Crêpe Suzette oder Bouillabaisse?Wie haben Sie es technisch geschafft, die Gerichte so zu fotografieren?
Technisch steckt hinter den "Culinary Timepieces" tatsächlich eine längere Konzeptionsphase, viel Studioarbeit und noch mehr Postproduktion am Computer. Für den Effekt von echten Fett- und Wasserflecken auf den alten Dokumenten sind mehrere Schritte nötig, denn den Originalen ist natürlich nichts passiert. Im fertigen Bild zu sehen ist am Ende eine perfekte Illusion: die Komposition aus Original-Dokument und Original-Gericht - mit echten Flecken.

Der Geschmack des Gerichts kann auf dem Bild nicht überprüft werden, aber ein gelungenes Food-Foto regt den Appetit an und animiert den Betrachter. Planen Sie also weiter Hunger auf mehr zu machen?
Natürlich spielt das ästhetische In-Szene-Setzen von Essen für mich auch sonst eine große Rolle. Als Food-Fotografin betrachte ich ja auch jedes Gericht im Restaurant meiner Kunden irgendwie ein „Kunstobjekt“, das seine bestmögliche und passende Bühne braucht. Die "Culinary Timepieces" sind auf jeden Fall ein lebendes Projekt und es wird immer wieder mal neue Motive geben. Das Themenfeld der klassischen Kulinarik ist ja ziemlich unerschöpflich, und es gibt noch viele ikonische Saucen, Garnituren und Lebensmittel, die in Szene gesetzt werden wollen.