Wer auf 08/15-Fast-Food-Pommes keine Lust hat, macht es so wie Nathan Myhrvold, der Godfather aller Küchengeeks: Man legt sich ganz einfach ein Ultraschallbad und eine kleine Vakuumkammer zu. Mit Methoden wie diesen verblüffte der Küchen-Professor 2011 die gesamte Kulinarikwelt. Seine Theorie damals: für die knusprigsten Pommes frites, muss man die Kartoffelstangerl noch vor dem Frittieren mit Ultraschallwellen beschießen. Unter anderem. Und ja: das ist sehr nerdig. Und vielleicht auch übertrieben. Aber: es macht ganz einfach Spaß von solch leidenschaftlichen Menschen und deren Erkenntnissen zu lesen. Und vor allem die fantastischen Bilder anzusehen.

Bevor er sich mit Haut und Haar der Kulinarik widmete, baute Nathan Myhrvold als erster Chief Technology Officer bei Microsoft unter anderem Microsoft Research auf
Bevor er sich mit Haut und Haar der Kulinarik widmete, baute Nathan Myhrvold als erster Chief Technology Officer bei Microsoft unter anderem Microsoft Research auf © Modernist Pizza

Noch bei Microsoft machte Myhrvold als Chief Technical Officer ein Vermögen. Heute erkundet er die wissenschaftlichen Hintergründe des Kochens. Und nach „Modernist Cuisine“ vor mehr als zehn Jahren und Nachfolgewerken wie „Modernist Bread“, bringt der kulinarische Weiterdenker im Mai sein neuestes Werk auch auf Deutsch heraus. Ganze vier Jahre lang beschäftigte sich sein Team ausschließlich mit dem Thema Pizza.Und alle die sich schon einmal halbwegs seriös mit dem italienischen Nationalgericht beschäftigt haben wissen, dass man sich allein beim Thema Teig durch neue intergalaktische Dimensionen kämpfen muss. Dieser Herausforderung haben Nathan Myhrvold und seine Crew sich gestellt. Denn in „Modernist Pizza“ steht alles, was man über Pizza schreiben kann.

Die Begründer von Modernist Cuisine haben die Food-Fotografie revolutioniert
Die Begründer von Modernist Cuisine haben die Food-Fotografie revolutioniert © Nathan Myhrvold
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Die Bände 1 und 2 behandeln Wissenschaft, Geschichte, Grundlagen, Zutaten, Pizzareisen und Pizzaherstellung. Band 3 widmet sich traditionellen und innovativen Pizzarezepten überall auf der Welt. Das Rezepthandbuch ist zum Gebrauch in der Küche bestimmt. Und tatsächlich: bei diesem knackfrischen Kompendium bleibt kein Pizzastein auf dem anderen. Wie wäre es etwa mit einer schwarzen Pizza aus Tintenfisch und schwarzem Mozzarella? Oder Safran-Pizza? Oder eine Cheddar-Apfel-Speck-Pizza mit „Frankencheese“?Geht es nach Myhrvold, sehen beinahe alle Pizzerien vor allem ihren Teig als das Erfolgsgeheimnis. Darum findet man im Buch auch etwa 50 verschiedene Teigvarianten. Doch: „Die meisten Pizzabäcker betrachten den Teig als den Marmor in ihrer Marmorstatue. Sie wollen nicht, dass er allein der Star auf dem Teller ist“. Das wahre Geheimnis des Pizzateigs liege darin, wie er ausgeruht wird: „Der beste Teig rastet ganz einfach mindestens eine Nacht“, erklärt er.

Modernist Pizza wurde für alle geschrieben, die Pizza lieben, ob Profi-Pizzaiolo oder Hobbykoch
Modernist Pizza wurde für alle geschrieben, die Pizza lieben, ob Profi-Pizzaiolo oder Hobbykoch © Modernist Pizza

Wie schon in den ersten Ausgaben, hat das Modernist-Cuisine-Team auch diesmal die Welt bereist, um alle notwendigen Informationen für dieses neue Buch zu recherchieren. Von Italien, über die USA bis nach Sao Paolo und Tokio wurden über 250 der weltbesten Pizzerien abgeklappert. Einblicke in die hohe Kunst des Pizzabackens bekamen sie dabei von den weltbesten Pizzaiolo. Darum auch wenig erstaunlich: In „Modernist Pizza“ gibt es viel zu lernen und auch echte Pizza-Profis kommen voll auf ihre Kosten. Dank hunderter Experimente, die das Pizza-Nerd-Team durchgeführt hat, erfährt man alles über neue Erkenntnisse und Techniken.Wie etwa Fior-di-Latte-Mozzarella-Infusionen oder die Verwandlung einer gewöhnlichen Konservensuppe in eine außergewöhnliche Tomatensauce. Selbst was man am besten mit Pizzaresten anstellt, wird erläutert. Und alle Rezepte wurden so entwickelt, dass jeder mit seinen Möglichkeiten die bestmögliche Pizza zubereiten kann. Egal ob man also professionelle Ausrüstung verwendet oder daheim mit einem herkömmlichen Backofen arbeitet. Es gibt über 550 Schritt-für-Schritt-Fotos und Fotografien, die die Pizza aus neuen Perspektiven in all ihrer köstlichen Pracht einfangen.

Der Preis der neuen Pizza-Bibel ist jedoch genauso atemberaubend wie das Werk selbst. 375 Euro muss man bereit sein auszugeben. Das ist beinahe obszön teuer. Aber als Gemeinschaftsgeschenk für den ambitionierten Hobby-Pizzabäcker bestimmt eine gute Idee.