Eine Schiffspassage von Amerika nach Europa war im 19. Jahrhundert teuer. Doch der winzige Passagier, der sich unentdeckt auf die Reise machte, verlangte den Weinbauern Europas wohl den höchsten Preis ab. Er sollte alles Leben aus der Weinwirtschaft saugen.

Die Reblaus fiel über die Wurzelstöcke her, als wäre Europa eine einzige gedeckte Tafel, nur amerikanischen Stöcken konnte sie nichts anhaben. Deshalb wurzeln nun nahezu alle Weinreben Europas auf amerikanischem Rebholz.

Eine andere lausige Draufgabe aus Übersee waren die etwa zur gleichen Zeit eingeschleppten Pilzkrankheiten – zum Unterschied zur Reblaus plagt aber der Mehltau noch heute niederschlagsreiche Gebiete wie die Steiermark. Und hier kommen die pilzwiderstandsfähigen – kurz PiWi – Sorten ins Spiel. Schon im 19. Jahrhundert begann man damit, das Beste aus beiden Kontinenten zu vereinen, die Robustheit der amerikanischen und die Qualität der europäischen Reben, wie Wolfgang Renner, Obmann des Vereins PiWi Österreich, erklärt. Mit Erfolg.

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Immer mehr Winzer setzen auf pilzwiderstandsfähige Sorten. Bereits „jede zehnte veredelte Rebe in den Rebschulen der Steiermark, ist eine PiWi“, sagt Wolfgang Renner, der seit rund drei Jahrzehnten mit Weinforschung in der Versuchsstation in Haidegg befasst ist. Etwa zwei Prozent der Rebfläche entfallen bereits auf die pilztoleranten Reben. Der Vorteil liegt auf der Hand: „Ich bin ökologisch nachhaltiger, habe 70 Prozent weniger Pflanzenschutzaufwand.“

PiWis ohne Pflanzenschutz

1999 wandelte Biopionier Johann Thünauer ein verwildertes Grundstück mit 65-prozentiger Steigung in Terrassen um und pflanzte dort die ersten PiWi-Reben der Sorte Regent in der Steiermark. „Wir arbeiten hier rein händisch“, schildert Kellermeister Georg Thünauer. „Die Trauben haben noch nie Pflanzenschutz bekommen.“

Biowinzer Michael Gangl
Biowinzer Michael Gangl © (c) MICHAEL_KOENIGSHOFER

Das Klima verändert sich, „da ist PiWi ein gutes Argument. Ich habe keinen Druck, wenn es regnet. Die Maschinenkosten reduzieren sich“, erklärt Weinbauer Karl Renner aus Leutschach. Für den Biowinzer war es „ein logischer Schritt“, auch mit pilztoleranten Sorten zu arbeiten.

Biowinzer Karl Renner
Biowinzer Karl Renner © (c) Otmar Winterleitner

Zu 100 Prozent auf PiWis setzt Michael Gangl am Kobatl Biohof in Tieschen. Nach Praxisjahren rund um den Globus kam der Winzer in der Südpfalz auf die robusten Reben. Für ihn sind sie „das fehlende Glied in der Kette, das letzte Puzzlestück zum nachhaltigen Weinbau“. So wurde im ersten Schritt „ein Welschriesling-Weingarten umveredelt“.

Die Familie Thünauer bei der Ernte
Die Familie Thünauer bei der Ernte © Thünauer

Eigenständige Weine

Wie aber schmecken die Neuen, die nun die bekannte Palette um weitere, spannende Sorten bereichern? Blütenmuskateller, Chardonel, Souvignier Gris – manche Namen erinnern an gängige Rebsorten. In der Typizität lassen sie sich teils auch zuordnen. Das liegt an der – immer gentechnikfreien – Züchtung. Der Muscaris etwa ist eine Kreuzung aus der PiWi-Sorte Solaris, die auch den französischen Muskat Ottonel im Stammbaum trägt, und dem Gelben Muskateller. Beim Verkosten zeigt sich aber der geschmackliche Unterschied.

PiWis sind eigenständige, aromastarke Weine, die sich nach langen Versuchsjahren nun zu wahrer Qualität entfalten und die es zu entdecken gilt. Fünf Sorten sind bereits zur Herstellung von Qualitätsweinen zugelassen.

Bei all den positiven Argumenten, gibt es noch ein kleines Problem: Bislang sind sie nur Eingeweihten bekannt. „Die Aufgabe unserer Generation ist es, die Weine zu erklären“, sagt Wolfgang Renner und lächelt: „Beim Blauen Zweigelt hat es 70 Jahre gebraucht, bis er etabliert war.“ So lange wird das Bewusstsein für die PiWis bestimmt nicht schlummern.

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