Karies bis in die Zahnwurzeln soll den Menschen, die vor rund 5000 Jahren in Brasilien lebten, das Verspeisen zu vieler Kohlenhydrate beschert haben. Zu der Erkenntnis gelangte ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im "Journal of the Royal Society Open Science". An der Atlantikküste Südamerikas ernährten sich Menschen bereits damals von Süßkartoffeln und anderen Feldfrüchten recht kohlenhydratreich.
Die Forscher um Andre Colonese von der Universität York
(GB) untersuchten 1345 Zähne samt Kieferknochen von rund 70 Menschen aus zwei Fundstellen (Morro do Ouro und Rio Comprido), die vor 5600 bis 3700 Jahren an der Atlantikküste im Süden des heutigen Brasiliens gelebt haben. Sie gehörten einer Kultur an, die der Nachwelt vor allem Müllhaufen vorwiegend aus Muschelschalen namens "Sambaquis" hinterließen. Man hat von ihnen aber auch Steinwerkzeuge wie etwa Axtklingen und Mahlsteine sowie Skulpturen gefunden.
Analyse des Zahnmaterials
Durch Isotopenanalysen des Zahnmaterials konnten die Forscher
feststellen, dass sich die Menschen ungefähr zur Hälfte von Fischen
und Meeresfrüchten ernährt haben, ein Drittel pflanzliche Nahrung
war und auch gelegentlich Säugetiere und Vögel verzehrt wurden. "Man
bezeichnet sie deshalb als 'Fischer-Jäger-Sammler'", erklärte
Studienmitautorin Sabine Eggers vom Naturhistorischen Museum Wien im
Gespräch mit der APA. Sie waren offensichtlich sesshaft und haben
auch schon Pflanzen wie Maniok und Süßkartoffeln angebaut, denn ohne
solche kohlenhydratreiche Früchte hätten sie nicht so kariöse Zähne
gehabt.
Bis zu 80 Prozent von ihnen hatten zumindest in der obersten
Schicht, dem Zahnschmelz, Karies. Bei vielen reichte er tiefer ins
darunterliegende Dentin und bei bis zu einem Viertel der Individuen
betraf er sogar die Zahnpulpa, wo sich die Nerven befinden. "Dies
ist tiefer Karies, der wehtut, stinkt, und zu Abszessen im Knochen
führen kann", erklärte Eggers. Außerdem hatten viele dieser Menschen
Löcher zwischen "Nicht-Mahlzähnen", was oft bei sehr
kohlenhydratreicher und damit kariesauslösender Ernährung passiert.
Große Karies-Löcher
Die schlimmsten Karies-Löcher hatte eine junge Frau vom Fundort
Morro do Ouro, die sich in ihrer Kindheit und Jugend (von zwei bis
zwölf Jahren) im Gegensatz zu den anderen Individuen dort fast
ausschließlich pflanzlich ernährte. Später verzehrte sie auf einmal
genau wie diese viel Fisch. Das passierte wohl nicht, weil sie auf
einmal entdeckte, dass die pflanzlichen Kohlenhydrate ihren Zähnen
nicht guttaten, sondern weil sie von irgendwoher nach Morro do Ouro
gekommen war. Vielleicht hat sie geheiratet, und ist in das Dorf
ihres Mannes gezogen, oder Ähnliches. "Wir wissen von den
Sambaqui-Leuten, dass sie manchmal tausende Kilometer weit reisten",
so Eggers.