Hätten wir nicht eine so fabelhafte Bierqualität im Land - wer weiß, ob nicht auch in Österreich eine Art Craft-Bier-Bewegung entstanden wäre. So kam es natürlich anders und die Welle schwappte erst Jahre nach ihrer Entstehung von Amerika nach Europa. Kein Wunder, dass sich dort viel getan hat, denn was die drei großen amerikanischen Brauereien nach der Prohibition in den 1970ern unters Volk brachten, konnten kaum Bier genannt werden. So versuchten sich immer mehr Hobbybrauer an einem eigenen handgebrauten Bier und mittlerweile schwimmen auch die Österreicher auf der Trendwelle und sind begeistert am Brauen.
So steht in der Anleitung für den Erstversuch geschrieben: Man nehme Einkocher, Läutereimer, Thermometer, Küchensieb, Messbecher, Töpfe, Bierwürzespindel, ein Küchenmesser und einen elektrischen Wasserkocher – wobei Letzterer unter „optional“ angefügt ist. Mit diesem Equipment sollte dem eigenen handgebrauten Bier nichts mehr im Weg stehen. Oder doch?
Ein bisschen Nachhilfe schadet nicht, deshalb machen wir uns auf zu einem, der es wissen muss: 2014 ging Gebhard Sauseng unter die Hobbybrauer, hantierte mit 50-Liter-Behältern, experimentierte mit verschiedenen Malz- und Hopfensorten. 2015 absolvierte er die Ausbildung zum Diplom-Biersommelier. Seit 2018 ist er Braumeister im Sudhaus in Graz – der mit allen Raffinessen modernster Messtechnik ausgestatteten Mikrobrauerei von Anton Paar.
Was mit den Grundprodukten Wasser, Hopfen und Malz im Sudhaus passiert, bis das Craft Bier schließlich abgefüllt werden kann, erklärt Gebhard Sauseng für anhand von sieben Schritten:
Malz. Für die Malzgewinnung wird Getreide in eine Art „Frühling“ versetzt. Angefeuchtet beginnt es zu keimen. Malzzucker spaltet sich auf, dann wird das Getreide getrocknet.
Maische. In der Maischepfanne wird warmes Wasser mit Malz zu „Müsli“ vermischt. Feste Bestandteile (Treber) werden aufgefangen – mit ihnen werden Sudhaus-Brezen gebacken.
Hopfen. In der Würzepfanne wird die Bierwürze mit Hopfen gekocht. Die konzentrierte Stammwürze wird laufend gemessen. Sie ist ausschlaggebend für den Alkoholgehalt.
Kühlen. Im Plattenkühler wird die kochend heiße Würze auf rund 15 Grad gekühlt, so findet die Hefe ideale Bedingungen, um den Malzzucker zu vergären.
Vergären. Jetzt wird Hefe zugesetzt. Untergärige Hefe bedingt einen Gärungsprozess bei 12 Grad und rund 10 Tagen, obergäriges Bier wird bei 20 Grad bis zu 7 Tagen vergoren.
Reifung. Während der Gärung entstehen Alkohol, Kohlendioxid – und mitunter auch Fehlaromen wie Butter, Apfel oder Pflaster. Sie sollten bei der Lagerung verschwinden.
Füllen. Drei bis vier Wochen reift das Bier bei 0 bis 3 Grad, bis es abgefüllt werden kann. In Großbrauereien wird es filtriert, pasteurisiert und ist deshalb länger haltbar.
Wer Lust bekommt, selbst zu brauen, bucht einen Kurs im Sudhaus oder probiert diese Cremeschnitte, die fallweise mit anderen Köstlichkeiten in dem Restaurant serviert wird, zuhause aus:
Birgit Pichler