In Jeans, einem engen, schwarzen Pullover, Stiefletten und mit offenen Haaren sitzt sie in einem Cafe in Hamburg und freut sich über den Erfolg ihres soeben erschienenen Kochbuches. Natürlich wusste das Marketinggenie Sarah Wiener, dass der Titel für Kopfschütteln sorgen wird. Nein, beteuert die bekannteste Fernsehköchin Deutschlands, sie hätte weder Alice Schwarzer noch eitle Koch-Könige provozieren wollen. "Ich bin ein großer Fan von Alice Schwarzer. Und gerade ich habe ja früher große Vorbehalte gegen den Herd gehabt, weil das für mich mit der Pflichterfüllung 'Mutti am Herd' verbunden war“, sagt sie, überlegt kurz und fügt lachend hinzu: "Das ist keine feministische Kampfschrift, obwohl mir das gefallen würde."

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"Frau am Herd." Sie sei eine Frau am Herd und deshalb habe sie sich für diesen "auch witzig gemeinten Titel Frau am Herd" entschlossen. Ob in Wien, Berlin oder Hamburg, sie hat sich in den letzten Tagen daran gewöhnt, auf der Straße auch von Unbekannten gefragt zu werden, ob sie unterschwellig Frauen wieder zurück an den Herd rufen wolle. Eine Frage, die bei der 46-Jährigen so passend ist, wie es die Frage an ihren Vater Oswald Wiener vor 40 Jahren gewesen wäre, ob ein bürgerliches Leben mit Kind und Hund sein Traum wäre. Unkonventionell ist die Schulabbrecherin immer gewesen. Eine Frau, die gern Grenzen sprengte. Wie könnte auch die Tochter des Autors Oswald Wiener, der 1968 an der Uni Wien mit den Aktionskünstlern Günter Brus und Hermann Nitsch mit viel Nacktheit, Urin und Kot Studenten schockte und dafür in U-Haft musste, konventionell sein. Mit 15 ist sie das erste Mal ausgerissen, hat die Schule in Wien abgebrochen, ist durch Europa getrampt und lebte mit 24 allein als Mutter eines Babys in Berlin von der Sozialhilfe.

Demütigung. Eine Phase ihres Lebens, die sie prägte. "Arm zu sein ist ja per se keine Schande. Die Demütigung war zu akzeptieren, ein falsches Bild von mir gehabt zu haben. Bis dahin habe ich gedacht, alle anderen sind schuld an meiner Situation." Das Selbstbewusstsein, das sie von ihrer alleinerziehenden Mutter, einer Malerin, mitbekommen hat, hat ihr damals nichts genützt. "Ganz ehrlich, das hat mir überhaupt nicht geholfen. Wenn man nichts gelernt hat, ein Baby hat, keinen Job, keine Eltern und Freunde in der Nähe hat, spürt man nur Hilflosigkeit, Angst, Selbstzweifel. Und je länger man Sozialhilfe bekommt, desto stärker geht es bergab."

Geld zum Überleben. Warum sie sich für den Job einer Küchenhilfe entschieden hat? Sie lacht, bestellt Mozzarella-Brötchen und sagt mit entwaffnender Offenheit: "Weil ich von allen Dingen, die ich nicht konnte, kochen noch am besten konnte." Das Kochen bezeichnet die Autodidaktin heute als Fahrkarte zurück ins Leben, zurück in die Gesellschaft. Und dann hatte sie noch einen Sandsack, den sie oft täglich bearbeitete, um ihre Aggressionen abzubauen. Als sie dann mit 28 Jahren einen Küchenwagen kaufte, um für Filmgesellschaften das Catering zu machen, war sie immer noch planlos. "Es war nie geplant, dass daraus einmal ein Unternehmen mit drei Lokalen und hundert Beschäftigten wird. Ich habe einfach Geld zum Überleben gebraucht." Sie habe auch heute noch keinen Plan. Wie sie dann drei Restaurants in Berlin aufbauen konnte? Sie lacht laut auf: "Ohne meine Geschäftsführer wäre ich längst pleite. Ich habe nicht die Energie und die Ausdauer, um Zahlen zu lesen."