Ein Wochenende oder ein Tagesausflug im nahen Süden kann gerade jetzt sehr reizvoll sein. Haben Sie einen Tipp für unsere Leserinnen und Leser, wo es sich aktuell besonders geschmackvoll verweilen lässt?
GISELA HOPFMÜLLER: Für ein Wochenende oder einen Tagesausflug nach Friaul-Julisch Venetien bieten sich nicht nur „Hotspots“ am Meer wie Triest oder Grado oder die bekannte Weingegend Collio an. Auch das Hinterland hat eine Menge zu bieten. Ganz nördlich in den Bergen etwa liegt Sappada, eine Sprachinsel, wo sich eine altdeutsche Sprache, das Plodarische, erhalten hat. Eine kulturell wie kulinarisch unglaublich interessante Gegend. Dort findet man etwa die örtliche Latteria namens Polar Kelder mit dem Frischkäse Saurnschotte, der mit wildem Estragon gewürzt wird. Es lockt aber auch ein Haubenlokal, das Ristorante Laite, wo die Sterneköchin Fabrizzia Meroi aufkocht. Überhaupt sind in ganz Friaul-Julisch Venetien zahlreiche Latterie zu finden, die ausgezeichnete Käsesorten erzeugen. Nicht nur den bekanntesten, den Montasio, sondern auch den würzigen Almkäse Formadi Frant oder die gesalzenen Käsesorten Salato und Asìno, die in Jahrzehnte alter Salzlake reifen. Oder im Karst oberhalb von Triest der Jamar, der in 70 Metern Tiefe in einer Karstgrotte reift, oder den Pastorùt, der ähnlich einem Gorgonzola mit Penicillium-Schimmelpilz erzeugt wird.
Eine kulinarische Entwicklung bei unseren Nachbarn, die Sie in letzter Zeit als ganz besonders positiv wahrgenommen haben?
FRANZ HLAVAC: In der friulanischen Ebene wird im Ort Paradiso von der Azienda Fraccaroli ausgezeichneter Reis angebaut. Die Sorte heißt Vialone Nano und kommt als halbgeschliffener Reis in den Verkauf. Im Ort Cavasso Nuovo und im nahen Val Cosa wird eine alte Sorte roter Zwiebel angebaut, die an Geschmacksqualität den berühmten Tropea-Zwiebeln aus Süditalien in keiner Weise nachsteht. Genauso ist der Aglio di Resia, der Knoblauch aus dem Resiatal, bei Köchen wegen seines zarten Aromas überaus beliebt. In der Acetaia Midolini in Manzano entsteht Balsamico höchster Qualität, er heißt Asperum. Ob nur fünf Jahre gereift oder – wie der älteste – 50 Jahre, es gilt: Wozu nach Modena schweifen, wenn Friaul alles bietet, was der Balsamicofreund liebt?
Und hätten Sie abschließend noch einen Geheimtipp für einen unvergesslichen Städtetrip übers Wochenende?
HOPFMÜLLER: Die Stadt Pordenone im Westen ist viel zu wenig beachtet, kulturell wie kulinarisch. Und die Stadt hat auch „eigene“ Kekse. Die Biscotti di Pordenone werden nach einem alten Rezept aus den 1940er-Jahren in der Pasticceria Montreal erzeugt. Eine Intention ist nach wie vor, dass die Zutaten authentisch die Gegend Pordenone widerspiegeln sollen. Also werden Weizenmehl und Maismehl verwendet, wie sie in früheren Zeiten in alten Mühlen der Gegend gemahlen wurden. Andere Zutaten erreichten in der Vergangenheit die Stadt per Schiff, denn Pordenone hatte einen Hafen am Fluss, der heute Noncello heißt. Der historische Hafen nannte sich Portus Naonis, daher leitet sich auch der Name Pordenone ab. Dieser Hafen war ein wichtiger wirtschaftlicher Umschlagplatz, unter anderem für Zucker, Mandeln und grobes Salz, also drei wichtige Zutaten der Biscotti Pordenone.