Mediziner warnen einmal mehr: Das Kippen des Rauchverbots, das noch diese Woche auf Bestreben der FPÖ passieren soll, hat fatale Konsequenzen für die Gesundheit der Menschen.
Das Vorhaben der schwarz-blauen Regierung, das vom Nationalrat 2015 beschlossene Gastro-Rauchverbot (geplant ab 1. Mai 2018) zu kippen, führte zu einem Appell von MedUni-Wien-Experten. "Aus öffentlicher Verantwortung" müsse man auf den Nichtraucherschutz in Österreich drängen, sagte Rektor Markus Müller.
Acht Herzinfarkte, acht Raucher
"Wir sehen immer wieder, dass das Rauchen sehr stark mit dem akuten Koronarsyndrom (instabile Angina pectoris, Herzinfarkt; Anm.) assoziiert ist. Gestern sind am AKH acht Herzinfarktpatienten behandelt worden. Alle haben geraucht", sagte Christian Hengstenberg, Leiter der Klinischen Abteilung für Kardiologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin II von AKH und MedUni Wien. Genauso sei das Rauchen wesentlicher Risikofaktor für Schlaganfälle, Atherosklerose von Schlagadern und Gefäßen der Beine. Alter, genetisch bedingt erhöhte Blutfettwerte oder Bluthochdruck seien nicht oder nur teilweise beeinflussbar, der Tabakkonsum aber sehr wohl.
Hengstenberg schilderte die Konsequenzen von strikten Tabakkonsum-Beschränkungen international: "Eine Begrenzung des Rauchens im öffentlichen Raum führt dazu, dass Nichtraucher geschützt werden und Raucher weniger rauchen."
MedUni Wien-Rektor Markus Müller unterstrich die für die Gesundheit, Krankheit und Medizin generelle Bedeutung des Tabakkonsums: "Wir geben elf Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Gesundheit aus. Aber was das Ergebnis betrifft, sind wir nicht an der Spitze. Insbesondere Frauen rauchen zu einem sehr hohen Anteil." Es gebe de facto kein medizinisches Fachgebiet, das nicht mit den Raucherschäden beschäftigt sei - neben Kardiologie und Lungenheilkunde auf jeden Fall auch Urologie (Blasenkarzinom), HNO (Karzinome im Hals-Nasen-Ohren-Bereich), in der Zahnmedizin und auch in der Gynäkologie (Frühgeburten).
Dritthäufigste Todesursache
Der Leiter der Klinischen Abteilung für Pulmologie von MedUni Wien und AKH, Marco Idzko, sagte: "Wir wissen, dass die dritthäufigste Todesursache weltweit die COPD (chronisch entzündliche Lungenerkrankung; Anm.) ist. 90 Prozent der Patienten in Europa haben die Erkrankung durch das Rauchen." Der Tabakrauch lähme die Flimmerhärchen in den Bronchien, welche Schadstoffe abtransportieren sollen. "Beim Raucher und beim Passivraucher kommt es zu einer Ansammlung schädlicher Substanzen in der Lunge, zu chronischer Entzündung und zur Zerstörung von Lungengewebe." Es sei "skandalös", wenn man es im Gegensatz zu vielen Ländern der Welt in Österreich nicht schaffe, den Nichtraucherschutz umzusetzen.
COPD als Berufserkrankung
Der Wiener Umweltmediziner Manfred Neuberger wies darauf hin, dass vor kurzem erstmals in Österreich bei einer Kellnerin eine COPD-Erkrankung als Berufserkrankung anerkannt worden sei. Das sollte ein Signal für andere Geschädigte bis hin zu Lungenkrebspatienten sein, sich zu melden.
Umgekehrt hätten die internationalen Erfahrungen gezeigt, dass es durch Rauchverbote zur Abnahme der Frühgeburten um zehn Prozent, der Aufnahme von Kindern wegen Asthmas in Spitäler um zehn bis 18 Prozent und zur Reduktion von stationären Aufnahmen wegen Lungenentzündungen um 14 bis 18 Prozent gekommen sei.
Die Pläne der Bundesregierung, den Jugendschutz zu verstärken, sind laut Neuberger schlichtweg "Heuchelei". Die Anhebung der Altersgrenze für das Rauchen auf 18 Jahre hätten die Landesjugendreferenten bereits im März 2017 beschlossen. "Die Bundesregierung hat dazu nichts beigetragen", sagte der Umweltmediziner. Beim "Mystery Shopping" in Tabaktrafiken und bei der Abschaffung der Zigarettenautomaten, bei denen sich Kinder und Jugendliche mit Zigaretten versorgten, habe die Regierung versagt.