Stephen Hawking war der bekannteste Patient der amyotrophen Lateralsklerose, kurz ALS- aber auch ein sehr ungewöhnlicher. Mehr als 50 Jahren lebte der theoretische Physiker mit der Krankheit, die seinen Verstand in einen gelähmten Körper sperrte, seine Muskeln schwinden ließ und ihm die Stimme nahm - bis er nur noch durch die Bewegung seiner Augen kommunizieren konnte. "Hawking war ein sehr ungewöhnlicher Fall", sagt Thomas Seifert-Held, der sich an der Neurologie der Med Uni Graz mit ALS beschäftigt, "die meisten Patienten leben nach der Diagnose nur wenige Jahre."
Etwa die Hälfte der Patienten stirbt innerhalb der ersten drei Jahre. Nur in Ausnahmefällen leben sie länger als ein Jahrzehnt mit der unheilbaren Krankheit. "Es gibt unterschiedliche Formen von ALS", sagt der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke (Freiburg), Horst Ganter. "Bei Stephen Hawking stellte sich heraus, dass er eine extrem seltene, langsam verlaufende Form hatte."
Die Krankheit raubt Betroffenen nicht nur die Fähigkeit, Arme und Beine zu bewegen, zu sprechen oder zu schlucken: Auch die Atemmuskulatur ist von der Krankheit betroffen. Die Atmung wird immer schwächer, Infektionen wie eine Lungenentzündung können den fatalen Verlauf noch beschleunigen.
Zerstörte Leitung
ALS ist ein "Übertragungsproblem": Die Leitung zwischen Steuerzentrale Gehirn und den Muskeln wird zerstört. "Momentan gibt es so gut wie keine Therapie", sagt Seifert-Held. Es gebe ein Medikament, mit dem man den Verlauf geringfügig hinauszögern kann. "Das kann das Leben statistisch um sechs bis 20 Monate verlängern", sagt der Experte.
Theorien dazu, wie man die seltene Krankheit besiegen könne, gebe es: Zentral sei der Versuch, die Nervenbahnen zu schützen und ihren Abbau zu verlangsamen oder zu stoppen. Das sei denkbar, doch der große Durchbruch fehle noch.
Der Auslöser der Erkrankung ist unbekannt: In seltenen Fällen gibt es eine familiäre Häufung, doch meist tritt die Krankheit spontan in der zweiten Lebenshälfte auf.
Stöße auf den Kopf
Aber: "Es gibt einen Zusammenhang mit bestimmten Sportarten", sagt Seifert-Held. Stöße auf den Kopf, wie sie beim Fußball oder American Football häufig sind, wurden mit der Erkrankung in Zusammenhang gebracht. Fußballer und Footballer erkranken häufiger an ALS - und meist auch schon in jungen Jahren. Warum? Das weiß man nicht. Möglicherweise führen die Traumata zu winzigen Schädigungen der Nervenbahnen - die dramatische Folgen haben.
Sonja Saurugger