Beinahe die Hälfte der Bevölkerung der USA hat nun Bluthochdruck: Verantwortlich dafür ist ein neuer Richtwert, der von der American Heart Association herausgegeben wurde. Dieser besagt: Liegt der gemessene Blutdruckwert bei 130 zu 80 oder darüber, hat der Betroffene Bluthochdruck. Damit sind 46 Prozent der Amerikaner Hochdruckpatienten. Vor der neuen Richtlinie - da lag der Richtwert bei 140 zu 90 - waren es 32 Prozent. Solche Leitlinien-Änderungen führen immer zur Frage: Wer ist dann überhaupt noch gesund? Welche Interessen stehen hinter so einer Entscheidung? Und welche Richtwerte gelten in Österreich?
Weniger Herzinfarkte
Tatsächlich ziehen die Amerikaner erst nach, in Österreich wurden die Richtwerte bereits im letzten Jahr angepasst. Der Auslöser war eine große Blutdruckstudie, die das Kürzel SPRINT trug, und die gezeigt hat: Risikopatienten sollten den Wert 120 zu 80 statt der vorherigen Richtlinie von 140 zu 90 anstreben. Dadurch lebten diese Patienten länger und hatten seltener Schlaganfälle und Herzinfarkte. Die Studie wurde nicht von der Pharmaindustrie finanziert, sondern von der amerikanischen Gesundheitsbehörde beauftragt - die Ergebnisse führten zu einem wahren Umbruch in der Behandlung.
Die österreichische Hochdruckliga hat die Empfehlung ausgegeben, den Blutdruck auf einen Wert unter 130 zu senken - bei Risikopatienten. Das sind Menschen, die rauchen, zu hohes Cholesterin haben, an Diabetes leiden oder schon herzkrank sind und dadurch ein hohes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall haben.
Nicht alle über einen Kamm
Doch was bedeutet das für die Praxis? „Liegt der Wert zwischen 120 und 130, braucht es keine Medikamente, sondern man sollte den Lebensstil ändern“, sagt Dirk von Lewinski, Kardiologe am LKH-Klinikum Graz. Betroffene sollten mit dem Rauchen aufhören, Übergewicht reduzieren und mehr Bewegung machen - das sind die wichtigsten Faktoren. Auch wenn das bedeutet, dass man seinen allzu gemütlichen Alltag ändern muss - keine Tablette ist so wirksam wie eine Änderung des Lebensstils!
Nur wenn der Wert nicht unter 130 fällt, sind Medikamente notwendig. Thomas Weber, Präsident der Hochdruckliga, sagt: „Der niedrigste Blutdruckwert, den man gut verträgt, ist der Beste.“ Blutdrucksenker haben nämlich Nebenwirkungen, Schwindel ist eine davon. „Man muss den individuellen Patienten behandeln und nicht alle über einen Kamm scheren“, sagt Lewinski.
Richtig messen
Ein weiterer strittiger Punkt ist, wie der Blutdruck gemessen wird: „Ein erhöhter Wert beim Arzt ist noch kein Bluthochdruck“, sagt Lewinski. Auch Weber sagt: „Wichtiger ist der Wert, der zu Hause gemessen wird, außerhalb der Arztpraxis ist der Blutdruck immer niedriger.“ Die allerbeste Variante sei die 24-Stunden-Messung.
Sonja Saurugger