"Ich bin schwanger! Jetzt muss ich nicht mehr auf meine Linie achten und kann essen, was ich will!"

So, oder so ähnlich hört man werdende Mütter in Film oder Buch reden - und manche auch im echten Leben. Schließlich heißt es im Volksmund, eine Schwangere müsse für zwei essen. Doch ist eine Schwangerschaft wirklich ein Freibrief für die Schlemmerei? Oder kann ungezügeltes Essen Mutter und Baby sogar schaden? Das haben wir die Ernährungsexperten Sonja Lackner (MedUni Graz) und Wolfgang Gunzer (FH Joanneum) gefragt.

250 Kilokalorien mehr

"Dass Schwangere für zwei essen müssen, ist ein Mythos", sind sich beide einig. Tatsächlich brauchen Frauen in der Schwangerschaft gerade einmal 250 Kilokalorien pro Tag mehr - das entspricht einem Stück Vollkornbrot mit Schinken, Käse und Gemüse. Von doppelter Menge kann also nicht die Rede sein. Was sich aber erhöht, ist der Bedarf an bestimmten Nährstoffen, daher sollte für werdende Mütter gelten, doppelt so gut zu essen. "Der Bedarf an Eisen verdoppelt sich, auch der Folsäurebedarf ist deutlich höher", sagt Lackner. Daher sollten Schwangere auf besonders nährstoffreiche Lebensmittel setzen.

In der für Schwangere adaptierten Ernährungspyramide sieht das so aus: Schwangere sollten zwei Liter pro Tag trinken, der Gemüse- und Obstbedarf erhöht sich auf sechs Portionen, wobei die eine Portion mehr aus dunkelgrünem Gemüse wie Brokkoli oder Fenchel bestehen sollte, um sich mit Folsäure zu versorgen. Auch bei den Milch- und Getreideprodukten darf es eine Portion mehr sein.

Qualität statt Quantität

"Qualität statt Quantität" ist also der Leitsatz für die Ernährung von Schwangeren, denn damit wird nicht nur das gesunde Wachstum des Kindes gefördert, sondern auch bereits der Geschmack geprägt. "Durch einen abwechslungsreichen Speiseplan der Mutter lernt das Baby schon im Mutterleib viele Aromen kennen", sagt Gunzer. Dadurch werde der Grundstein für spätere Vorlieben und das Essverhalten des Kindes gelegt.

Ernährungspyramide für Schwangere
Ernährungspyramide für Schwangere © Bundesministerium für Gesundheit

Unmäßiges Schlemmen der Mutter kann weitreichende Auswirkungen haben: Die Körperzusammensetzung des Kindes wird beeinflusst, auch der Grundstein für Lebensstil-Erkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann bereits im Mutterleib gelegt werden. Und: Auch die geistige Entwicklung des Kindes wird durch die Ernährung gefördert: Omega-3-Fettsäuren, die in Fisch enthalten sind, spielen dabei eine zentrale Rolle.

Mehr Fehlgeburten

"Es gibt auch Hinweise, dass übergewichtige Frauen häufiger Schwangerschaftsbeschwerden und Komplikationen wie Früh- oder Fehlgeburten haben", sagt Lackner. Auch das Risiko, dass ihre Kinder ebenfalls übergewichtig werden, sei erhöht.

Essiggurkerl und Softeis: Schwangere verspüren die seltsamsten Gelüste - warum, darüber ist sich die Wissenschaft uneinig. Hormonelle Veränderungen oder ein Signal des Körpers bei Nährstoffmangel werden diskutiert. Wenn der Süß-Gusto groß ist, kann man ihn auch mit Obstsalat oder Joghurt mit Früchten befriedigen.

Nicht für die Linie, aber für das Kind.