Dass ungesunde Ernährung, die vor allem aus Junkfood, zu süßem und zu fettem Essen besteht, der Körperform und der Gesundheit von Herz und Gefäßen nicht zuträglich ist, sollte mittlerweile bekannt sein. Diabetes, Bluthochdruck, „verkalkte“ Gefäße, die zu Schlaganfall und Herzinfarkt führen, sind die Folge. Es häufen sich aber die Beweise, dass schlechte Ernährung auch auf einer ganz anderen Ebene wirkt: „Studien zeigen, dass ungesunde Ernährung das Risiko für eine Depression erhöht“, sagt Peter Holzer. Er arbeitet an der Med Uni Graz an einem noch jungen Forschungsthema, der Neurogastroenterologie. Dahinter steckt die Frage, wie der Darm und das Gehirn miteinander kommunizieren, welchen Einfluss Ernährung auf unsere Stimmung hat und was unsere mikrobiellen Mitbewohner, die Darmbakterien, damit zu tun haben.

Herr Holzer, wie ist es möglich, dass der Darm und das Gehirn miteinander kommunizieren?

PETER HOLZER: Die Informationsübertragung ist ein komplexes System, da spielen das Nervensystem, die Hormone, die der Darm produziert und das Immunsystem des Darms mit. Zuletzt ist auch das Darm-Mikrobiom dazugekommen: Die Stoffwechselprodukte der Bilionen Bakterien im Darm haben Einfluss auf das Gehirn. Das ist die Grundlage um zu klären, ob der Darm Krankheiten des Gehirns beeinflussen kann.

Welche Krankheiten können das sein?

Die Liste der Erkrankungen, bei denen eine Veränderung der Darm-Hirn- Achse zur Erkrankung beitragen könnte, wird immer länger. Dazu zählen Alzheimer, Parkinson, Autismus, multiple Sklerose, Angsterkrankungen, Depressionen, eine schlechte Stressbewältigung und das Reizdarmsyndrom.

Wie viel weiß man schon über die Zusammenhänge?

Einen wirklich ursächlichen Zusammenhang zu finden, also zu zeigen, ein verändertes Mikrobiom ist die Ursache für eine Krankheit wie Depressionen, ist schwierig. Wird keimfreien Mäusen das Mikrobiom eines kranken Menschen verpflanzt, ist die spannende Frage: Zeigen sie die gleichen Symptome? Tatsächlich wurde gezeigt, dass Mäuse, wenn ihnen Stuhl von depressiven Patienten verpflanzt wird, ihr Verhalten ändern. Sie werden ängstlicher, zeigen depressive Verhaltensmuster. Das ist ein Hinweis, dass das Mikrobiom die Krankheit beeinflussen kann.

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Wie sieht die Beweislage bei anderen Krankheiten aus?

Auch bei der multiplen Sklerose und Parkinson wurde gezeigt, dass durch eine Verpflanzung des Mikrobioms von Patienten die Symptome verstärkt werden. Wir erklären uns das so, dass jene Bakterien, die Entzündungen fördern, im Überschuss vorhanden sind. Andere Bakterien, die diesen Prozessen entgegenwirken, sind hingegen reduziert – dadurch ist das Gleichgewicht gestört.

Und wie spielt die Ernährung dabei mit?

Eine australische Studie hat untersucht, wie die Ernährung auf das Depressionsrisiko von Jugendlichen wirkt. Man hat gesehen: Wenn die Jugendlichen sich nicht von Junk Food, sondern von gesunder Mischkost ernähren, haben sie sich besser gefühlt, waren weniger depressiv. So wie fast alle Krankheiten können auch Erkrankungen des Gehirns durch eine gesunde Ernährung positiv beeinflusst werden.

Sollte eine Ernährungsberatung also bei depressiven Patienten dazugehören?

Auf jeden Fall! Ich glaube auch, dass man mit einer Ernährungsumstellung sogar Medikamente reduzieren könnte. Dadurch gebe es auch weniger Nebenwirkungen. Ich bin überzeugt, dass Ernährungskonzepte in Zukunft die etablierte Therapie ergänzen werden.

Es bleibt die Frage nach Henne und Ei: Wird das Mikrobiom schlecht, weil sich depressive Menschen schlecht ernähren oder ist es die Ursache?

Darauf gibt es noch keine eindeutige Antwort, es ist ein Kreislauf. Was man sagen kann: Das Mikrobiom ist ein Faktor, der zur Krankheit beiträgt.