Ich habe nur die Fastenzeit über vegan gegessen, Sie beschäftigen sich als Diätologin mit dem Thema und leben auch selbst vegan. Wie kam es dazu?
Petra Frühwirth: Ich esse schon seit der Volksschule vegetarisch. Es war ein prägendes Erlebnis, als ich die Schlachtung von Tieren gehört habe, von da an habe ich Fleisch verweigert. Zur Zeit des Diätologiestudiums habe ich mich mit den Auswirkungen unserer Ernährung auf Umwelt, Gesundheit und Tierwohl auseinandergesetzt und 2012 auf vegan umgestellt.
Haben Sie den veganen Lebensstil als Verzicht erlebt?
Ich wollte zunächst nur einen Monat vegan leben. Doch in der Phase habe ich so viele neue Lebensmittel kennengelernt, auch ist dadurch meine Leidenschaft fürs Kochen noch gewachsen.
Auch ich hatte in der Fastenzeit selten das Gefühl, verzichten zu müssen. Wenn ich zu Hause war und gekocht habe, war es kein Problem. Doch wenn ich unterwegs war und im Hotel gegessen habe, war die Auswahl für Veganer enttäuschend.
Ja, das Essen auswärts kann eine Herausforderung sein, es gibt auch große Unterschiede zwischen Stadt und Land. Aber es ändert sich langsam etwas.
Ich habe in der Fastenzeit immer wieder gehört, dass vegan zu essen unnatürlich sei: Der Mensch sei nicht dafür gemacht. Was sagen Sie aus diätologischer Sicht?
Anatomisch gesehen ist der Mensch ein Mischköstler, aber für mich stellt sich die Frage: Welche Möglichkeiten habe ich heute, mich zu ernähren? Es ist definitiv möglich, sich vegan gesund und nährstoffdeckend zu ernähren. Wichtig ist, dass man nicht einfach nur die Beilagen isst, sondern sich informiert, welche Nährstoffe man abdecken muss. Was man auch nicht vergessen darf: Egal ob man Mischkost oder vegan isst, es geht immer darum, was esse ich wirklich den ganzen Tag über. Es ist nicht die Ernährungsform an sich, die gesund oder ungesund ist. Man kann eine Mischkost gesund planen und man kann die vegane Ernährung gesund planen - aber man kann auch beide Ernährungsformen komplett ungesund umsetzen.
Trotzdem gibt es die Empfehlungen, dass Menschen in bestimmten Lebensphasen nicht vegan essen sollten: Schwangerschaft, Stillzeit, Kindheit. Es ist also nicht immer möglich, sich mit veganer Kost ausreichend zu ernähren, oder?
In diesen Lebensphasen ist der Nährstoffbedarf höher als im Erwachsenenalter, das muss man beachten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt die vegane Ernährung generell nicht, in den speziellen Lebensphasen rät sie davon ab. In den USA aber sagt die Ernährungsgesellschaft, wenn die vegane Ernährung gut geplant wird, ist sie für jede Lebensphase geeignet. Ein Problem ist auch, dass sich Eltern oft nicht trauen, ihre vegane Ernährung beim Arzt anzusprechen. Das ist die unschöne Konsequenz der Polemisierung des Themas: Wenn der Arzt nicht weiß, dass die Mutter vegan isst, kann er das entsprechende Blutbild nicht machen, dadurch kann mehr schiefgehen. Veganer sollten daher nicht das Gefühl haben, sich verstecken zu müssen.
Fleischersatz - vegane Würstchen, Vleischkäse - habe ich gar nicht gegessen, das hat mich nicht angesprochen. Gehört es denn zum veganen Lebensstil dazu, solche Produkte zu essen?
Für viele ist es nicht nachvollziehbar, warum es diese Produkte überhaupt gibt. Es ist aber so, dass sich viele Menschen aus ethischen oder ökologischen Gründen für die vegane Ernährung entscheiden - unser Verhalten ist aber jahrelang erlernt. Ein Schnitzel verbindet man mit Familienerlebnissen, mit Erinnerungen. Daher haben Fleischersatzprodukte eine Berechtigung, weil sie Veganern helfen, sich etwas zu gönnen, was sie vielleicht vermissen. Aber natürlich sind das verarbeitete Produkte, die viel Fett, Stärke und Aromen enthalten und aus gesundheitlicher Sicht nicht besonders empfehlenswert sind. Brauchen tut man die Produkte jedenfalls nicht.
Ich habe mich sehr über das erste Käsebrot und das erste Ei nach der Fastenzeit gefreut, darauf möchte ich nicht immer verzichten. Ein, zwei vegane Tage pro Woche möchte ich aber beibehalten - ist das ein sinnvoller Weg, die gesundheitlichen Vorteile der pflanzlichen Ernährung in den Alltag einzubauen?
Die gesunde Mischkost sieht ohnehin nur drei Portionen Fleisch pro Woche vor. Für die restlichen Mahlzeiten braucht es fleischlose Alternativen. Das geht in der Mischkost leider oft verloren, die Österreicher essen viel zu viel Fleisch, was der Gesundheit schadet. Jeder sollte sich überlegen: Wie bekomme ich mehr Pflanzen in meinen Speiseplan? Man kann sich mit veganen Freunden austauschen, neue Rezepte ausprobieren, im Restaurant etwas Veganes bestellen. Auch Speisen, die man leicht vegan zubereiten kann, können in den Speisplan wandern, zum Beispiel beim Spinat mit Kartoffeln das Ei weglassen oder ein Chili sin Carne, ohne Fleisch, kochen.
Sonja Saurugger