Je näher wir dem Winter kommen, desto kürzer werden in unseren Breitengraden die Tage, anders gesagt: Die Sonne wird knapp, auch an wolkenlosen Tagen. „Wir brauchen die Sonne aber, um Serotonin zu bilden, das ist unser Glückshormon, das im Gehirn anregend wirkt und uns fröhlich macht. Serotonin ist darüber hinaus die Ausgangsbasis für Melatonin, das für unseren Schlaf wichtig ist“, bringt der Chronobiologe Maximilian Moser das Dilemma zum Ausdruck: „Im Sommer haben wir tagsüber eine bessere Stimmung und nachts einen besseren Schlaf.“

Die große Herausforderung besteht nun darin, auch mit den Herbst- und Winterbedingungen so gut wie möglich zurechtzukommen. Mosers Rat Nummer eins: „Nutzen Sie das Sonnenlicht im Winter so gut wie möglich! Anders gesagt: Das Sonnenlicht morgens sofort als Weckreiz ins Zimmer lassen und hinaus ins Freie, wann immer es nur geht!“ In Skandinavien, wo es im Winter noch dunkler ist als hierzulande, habe man sogenannte Lichttankstellen für die Menschen eingerichtet, etwa Cafés mit besonders hellem Licht, eventuell sogar Lichttherapiegeräten mit 10.000 Lux – „weil man die Erfahrung gemacht hat, dass Licht auch die Depression verbessern kann.“

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Damit sind wir beim Spezialgebiet der Psychiaterin Edda Winkler-Pjrek, die die Ambulanz für Herbst-Winter-Depressionen im AKH Wien leitet. Ihre Patienten zeigen durch die Bank zu allen Tageszeiten einen zu hohen Melatoninspiegel im Blut. „Abends steigt dieser Spiegel – wie bei Gesunden – auch bei den Patienten an, aber nicht so stark. Dadurch schlafen sie schlecht.“ Wer unter einer „saisonal abhängigen Depression“ (SAD) leidet, wie die Herbst-Winter-Depression auch genannt wird, sei tagsüber weniger aktiv, gehe später schlafen, durchlaufe dann weniger Tiefschlafphasen und bleibe am Morgen länger im Bett. Diesen Patienten könne eine Lichttherapie erfahrungsgemäß sehr helfen. Winkler-Pjrek: „50 Prozent jener, die an einer reinen SAD leiden, kommen mit einer Lichttherapie aus, die andere Hälfte braucht zusätzlich Medikamente.“

Symptome richtig deuten

Aber wie erkennt man überhaupt, was eine SAD ist im Unterschied zu einer klassischen Depression? „SAD-Patienten sind im Sommer gesund, also nicht depressiv bzw. ihre Depression vergeht von allein, sobald die Tage wieder länger werden.“ In Österreich sind etwa drei Prozent der Bevölkerung von einer voll ausgeprägten SAD betroffen. „Darüber hinaus gibt es freilich noch Sub-Varianten, bei denen Betroffene nur ein paar der Symptome oder bloß sehr schwache Symptome zeigen. Sie sind noch nicht krank, merken aber, dass sie im Winter müder und antriebsloser sind.“ Auch hier könne eine Tageslichtlampe helfen.

Was eine Tageslichtlampe nicht unbedingt schafft, ist allerdings, die Vitamin-D-Produktion im Körper anzukurbeln. „Und ab dem 40. Breitengrad ist die Sonne im Winter generell zu schwach, um eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung zu gewährleisten“, betont die Endokrinologin Karin Amrein von der Med Uni Graz. Eine große europäische Studie mit 55.000 gesunden Personen aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen habe gezeigt: „40 Prozent leiden an einem Vitamin-D-Mangel, 13 Prozent sogar an einem schweren.“ Der Rat zur unreflektierten Einnahme beliebiger Vitamin-D-Präparate ist davon allerdings nicht ableitbar. Was man wissen muss: „Die meisten Angebote in diesem Segment sind Nahrungsergänzungsmittel, aber nur Arzneimittel unterliegen strengen Kontrollen“, mahnt Amrein dringend zur Vorsicht.