Zimt, frischer Kaffee, nasser Wald. Blühender Flieder, Orangen oder der Lavendel in der Sommerhitze: Es gibt tausende Gerüche, die uns, oft unbewusst, berühren. Scheinbar selbstverständlich bereichert die Arbeit der Nase das ganze Leben. Richtig klar wird die Bedeutung, die das Riechen für das kleine, alltägliche Glück hat, erst, wenn sich die Nase verschließt. Wer z. B. an einem Schnupfen laboriert, für den duftet nichts. Alles schmeckt plötzlich fad und selbst pikante oder süße Lieblingsspeisen verschaffen wenig Genuss.
Wie kaum ein anderer Reiz sprechen Gerüche die Gefühls- und Erinnerungsebene an. Ein intakter Geruchssinn ist für die Lebensqualität ganz entscheidend. Auch bei der Partnerwahl spielt er eine Rolle, wie die Gehirn- und Geruchsforscherin Veronika Schöpf vom Institut für Psychologie an der Universität Graz erzählt. Die Leiterin des neuen Bereichs „Neuroimaging“ ist u. a. auf Olfaktorik spezialisiert.
Mithilfe bildgebender Verfahren beobachtet sie was im Gehirn ihrer Probanden – in diesem Fall alles Personen, die ihren Geruchssinn verloren haben – passiert, wenn sie an Vanille, Zimt, Orangen oder auch Kaffee riechen. Wie verändern sich die Netzwerke, die für die Verarbeitung von chemosensorischer Information zuständig sind, wenn der Mensch das Riechen wieder „erlernt“?
Rund fünf Prozent der Bevölkerung leiden an Anosmie, dem vollständigen Fehlen oder Verlust des Geruchssinns. Und bei immerhin 15 Prozent der Menschen ist das Riechvermögen eingeschränkt. Das Riechtraining unter wissenschaftlicher Aufsicht dauert Monate und besteht auch darin, die ansprechenden Düfte immer wieder tief einzuatmen. Das Ziel bzw. die Hoffnung ist es, die Rezeptoren der Nase zu reizen und zu neuer Aktivität anzuregen.
Interessant ist auch, dass Menschen mit Anosmie oft nicht bewusst wahrnehmen, dass ihnen ein Sinn abhandengekommen ist. Viele gehen zum Arzt, weil sie sich niedergeschlagen fühlen. Die Auslöser für den fehlenden „Riecher“ sind übrigens verschieden und können ein Schädel-Hirn-Trauma nach einem Unfall ebenso sein wie eine einfache Infektion der Nase. Die oft unterschätzte Nase trägt auch wesentlich zum Schmecken bei. Zwar nimmt die Zunge die fünf Geschmacksrichtungen (süß, sauer, salzig, bitter, umami) wahr, es ist aber der multisensorische Eindruck, der dem Essen das Aroma verleiht.
Buchtipp: „Der Geruch der Erinnerung: Wie ich meinen Geruchssinn verlor und wiederfand“ von Molly Birnbaum. btb Verlag 2013.
Roswitha Jauk