Während die Weltgesundheitsorganisation (WHO) anhaltend vor der Gefahr der Affenpocken warnt, gibt es zumindest bei den vorhandenen Therapiemöglichkeiten eine gewisse Entwarnung. Laut deutschen Wissenschaftlern wirken die vorhandenen antiviralen Medikamente auch bei dem aktuellen Ausbruch.
Den Beweis dafür haben Experten der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und von der Universität von Kent (Canterbury) jetzt im "New England Journal of Medicine" veröffentlicht. Der Hintergrund: Das Affenpockenvirus ist mit dem Pockenvirus (Variola Virus) eng verwandt, das bis zu seiner Ausrottung durch Impfung Ende der 1970er-Jahre große Ausbrüche mit hohen Todesraten von rund 30 Prozent verursacht hat. Affenpockeninfektionen verursachen eine mildere Erkrankung. Trotzdem beträgt die Todesrate etwa drei Prozent. Als besonders gefährdet durch einen schweren Verlauf gelten Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, Betagte, Schwangere, Neugeborene und kleine Kinder.
Bis vor Kurzem kamen Affenpocken nur in bestimmten Teilen Afrikas vor, wenn sich Menschen durch Kontakt mit Wildtieren infizierten, vor allem mit Nagetieren wie der Gambia-Riesenhamsterratte oder dem Rotschenkelhörnchen. Seit Mai vergangenen Jahres wird aber praktisch weltweit und zum ersten Mal ein großer Affenpockenausbruch außerhalb von Afrika registriert. Die Viren verbreiteten sich ausschließlich durch die Übertragung von Mensch zu Mensch. Das ist neu und dürfte mit Mutationen der Erreger zu tun haben. Die WHO hat das als "Gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite" eingestuft.
Medikamente, die gegen die "echten" Pocken entwickelt wurden
Ungefähr zehn Prozent der Patienten mit Affenpocken müssen im Krankenhaus behandelt werden. Darüber hinaus unterscheidet sich der derzeitige Affenpockenausbruch nicht nur in seinem Übertragungsweg, sondern auch in der Krankheitssymptomatik von bisherigen Ausbrüchen. "Diese Unterschiede im Verhalten des Virus gaben Anlass zu Befürchtungen, dass sich die derzeit zirkulierenden Affenpockenviren so weit verändert hätten, dass sie auf die verfügbaren Medikamente nicht mehr ansprechen würden", teilte die Goethe-Universität in einer Aussendung mit. Die Befürchtung: Die vorhandenen Medikamente zur Behandlung einer solchen Infektion könnten wegen Virusmutationen nicht mehr die volle Wirksamkeit entfalten.
Jindrich Cinatl vom Institut für Medizinische Virologie (Universitätsklinik Frankfurt) und Martin Michaelis von der School of Biosciences der University of Kent schafften den Gegenbeweis. Sie konnten Affenpockenviren von zwölf Patienten des aktuellen Ausbruchs isolieren und in Zellkultur vermehren. Dies ermöglichte es, diese Affenpockenvirusisolate in Kulturen von Hautzellen, die natürlicherweise von Affenpockenviren infiziert werden, systematisch auf ihre Empfindlichkeit gegenüber drei verfügbaren Medikamenten zur Behandlung von Affenpocken zu untersuchen: Tecovirimat, Cidofovir und Brincidofovir.
Tecovirimat wurde zur Behandlung der "echten" Pocken entwickelt. Hier ging es auch um ein Mittel gegen den Einsatz der Erreger als Biowaffe. Die Substanz hemmt ein Protein, das an der Bildung der Virushülle im Rahmen des Replikationszyklus beteiligt ist. Cidofovir und Brincidofovir sind sogenannte Polymerasehemmer. Durch Blockade dieser Enzyme wird die Virusvermehrung verhindert. Das funktioniert zum Beispiel auch bei Cytomegalievirus-Infektionen, experimentell wurde Brincidofovir beispielsweise auch gegen Ebolaviren und Herpes-Erreger getestet.
Abgesehen von der Impfung als Prophylaxe einer Affenpockeninfektion sind aber offenbar die Therapiemöglichkeiten weiterhin gut. "Die Ergebnisse zeigten, dass alle zwölf Patienten (in der Untersuchung, Anm.) weiter auf die Behandlung mit klinisch erreichbaren Konzentrationen der üblicherweise verwendeten Medikamente ansprachen", schrieb die deutsche Universität. Laut der Publikation in der weltweit angesehensten medizinischen Fachzeitschrift wird bei Einnahme der Medikamente in der üblichen Dosierung jeweils eine Wirkstoffkonzentration im Blutplasma erreicht, die zwischen dem 2,5- bis 1.000-Fachen jenes Spiegels beträgt, der in der Therapie gegeben sein sollte. Cinatl: "Wir waren wirklich besorgt, dass sich das Virus so verändert haben könnte, dass es resistent gegenüber den gängigen Therapien geworden wäre. Glücklicherweise ist dies nicht der Fall."