Im Leitartikel einer österreichischen Tageszeitung wurde am kürzlich die Sorge von Bürgerinnen und Bürgern über Teuerungen, Politik und CO2-Belastung mit steigender seelischer Depression in Zusammenhang gebracht - und die Depression wiederum mit „Raunzen“ gleichgestellt. Es hieß beispielsweise „Motto: Die Welt steht auf keinen Fall mehr lang. Also Zeit für eine kleine Herbstdepression? Sicher nicht.“

Depressionen mit einem lapidaren „sicher nicht“ abzutun, klingt so, als würde die Krankheit noch immer nicht verstanden oder ernst genommen werden. Warum man zu einem Menschen mit Depression nicht salopp „Sei doch einfach mal glücklich“, „Lach‘ doch mal“ oder „Bleib optimistisch“ sagen kann?

Depression noch immer Tabu?

Weltweit leiden mehr als fünf Prozent der Erwachsenen an Depressionen, mehr Frauen als Männer sind betroffen, heißt es von der WHO im Mai dieses Jahres. „Da psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft bedauerlicherweise noch immer ein tabuisiertes Thema darstellen, wird vermutet, dass in der Realität noch wesentlich mehr Österreicherinnen und Österreicher als bisher angenommen von Depressionserkrankungen betroffen sind“, steht im Österreichischen Depressionsbericht 2019 geschrieben.Mit Depressionen hat man nicht nur einfach mal schlechte Laune, sondern ist krank. „Depressionen sind gekennzeichnet durch eine gedrückte Stimmungslage, Betroffene fühlen sich traurig und niedergeschlagen. Zudem weisen sie eine Minderung von Energie auf und sie verlieren Freude und das Interesse an Dingen, die ihnen früher Spaß gemacht haben“, erklärt Frederike Fellendorf, Fachärztin und stellvertretende Leiterin der klinischen Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin am Uniklinikum Graz. Mit Aussagen wie: „Bleiben Sie optimistisch“ könnte man meinen, dass sich nach wie vor bei der Enttabuisierung der psychischen Krankheit Depression nichts getan hat.

Traumata, Stress, Vererbung

„Die Möglichkeit, Freude zu empfinden oder glücklich zu sein, ist in der Depression nicht gegeben“, klärt Fellendorf auf. Zwar können die Wesensmerkmale von Depression zum Leben dazugehören – das bedeutet jedoch nicht, dass man erkrankt ist. „Dann handelt es sich um eine Verstimmung, die jeder Mensch mal tageweise verspürt – beispielsweise durch einen stressigen Arbeitstag oder wenn man wegen eines Verlustes einer geliebten Person trauert. Wenn es sich um eine Depression handelt, sind diese Gefühle für mindestens zwei Wochen anhaltend“, erklärt Psychotherapeutin Maria Eberstaller.„Menschen in einer Depression kommen da nicht mehr raus und können es auch nicht so gut beschreiben, warum es ihnen so geht, wie es ihnen geht“, so Eberstaller weiter. Es gibt sehr unterschiedliche Ausprägungen einer Depression, über 200 verschiedene. Wie und warum man an einer Depression erkrankt, ist auf mehrere Ursachen zurückzuführen. Diese können unter anderem Traumata in der Kindheit und chronische Belastung sein und akuter Stress. „Man geht auch von einer biologisch vererbbaren Verletzbarkeit aus. Manche Menschen neigen eher dazu, an Depression zu erkranken“, so Fellendorf.

Wahrnehmung und Verständnis

Eberstaller macht klar: „Man sagt zu einem depressiven Menschen nicht ‚Sieh’s doch positiv‘, ‚Bleib optimistisch‘ oder ‚sei mal glücklich‘. Es zeigt der betroffenen Person nur, dass sie nicht richtig wahrgenommen und nicht verstanden wird. Dadurch kann das Ganze auch schlimmer werden. Solche Aussagen sollte man vermeiden.“ Stattdessen sollte man die Krankheit und die Situation einer Person mit Depressionen anerkennen und dem betroffenen Menschen zu verstehen geben, dass man sieht, dass es ihr schlecht geht.