Rund 4000 Menschen sterben in Österreich jährlich an Lungenkrebs. Etwa 80 Prozent der Erkrankungen werden erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Extrem wichtig wäre aus diesem Grund eine schnelle, zielgerichtete Therapie. Die sogenannte Liquid biopsy (übersetzt: Flüssigbiopsie) mit der Analyse von Tumor-DNA aus dem Blut reduziert die Reaktionszeit auf die Hälfte im Vergleich zu Pathologie-Gewebeuntersuchungen, hat jetzt eine Studie ergeben.
Miguel Garcia-Pardo von der medizinischen Universität Toronto in Kanada und seine Co-Autoren haben vor wenigen Tagen ihre Untersuchung im JAMA-Online-Network der amerikanischen Ärztegesellschaft (AMA) veröffentlicht. Es ging um die Zeitspanne zwischen der Diagnose einer fortgeschrittenen Lungenkrebserkrankung und dem Beginn einer medikamentösen Therapie. In diesem Stadium der Erkrankung ist derzeit kein chirurgischer Eingriff mehr möglich, der zur Heilung führen kann.
Die Weiterentwicklung der Diagnose
Herkömmlich erfolgen Lungenkrebsdiagnose und die möglichst zielgerichtete Auswahl der Therapie auf der Basis von Gewebeuntersuchungen der Pathologen (Histologie). Biotechnologie und DNA-Sequenziertechnik verändern per "Liquid biopsy" diese Vorgangsweise zunehmend. Tumor-DNA lässt sich im Blut nachweisen. Das wurde bisher vor allem bei einzelnen Karzinomerkrankungen zur Therapie- und Statuskontrolle verwendet (wenig Tumor-DNA – wenig Tumorlast und umgekehrt) angewendet.
Die kanadischen Wissenschafter haben versucht, die Reaktionszeit auf eine mögliche Lungenkarzinomdiagnose via Pathologie (Histologie) oder Flüssigbiopsie zu bestimmen. "Diese Untersuchung an einer Patientengruppe ohne Auswahl nach dem Zufallsprinzip wurde mit 150 Patienten durchgeführt (zwischen Juli 2021 und November 2022, Anm.)", schrieben die Fachleute. Alle Probanden hatten aus bildgebender Diagnostik deutliche Hinweise auf fortgeschrittenen Lungenkrebs.
In der klinischen Untersuchung wurde die Anwendung der herkömmlichen Gewebebiopsie samt Charakterisierung der Zellen mit der Analyse von Tumor-DNA aus Blutproben verglichen. Für die histologische Charakterisierung von Gewebe ist mit einer Probenentnahme, bei Lungenkrebs eine Bronchoskopie, notwendig. Die Begutachtung benötigt im Vergleich zu Next-Generation-Sequenzierung von Genmaterial aus dem Blut auch mehr Zeit.
Diagnose wird mit Bluttest beschleunigt
Insgesamt umfasste die Studie die Daten von 150 Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) als häufigste Lungenkarzinomerkrankung weltweit. Der kanadische Wissenschafter und seine Co-Autoren: "Die mittlere Zeit bis zur (medikamentösen; Anm.) Behandlung betrug 39 Tage für die ACCELERATE-Gruppe (übersetzt "Beschleunigung"; Anm.) und 62 Tage für die Referenz-Gruppe (Pathologie/Histologie; Anm.)." Die Ergebnisse der DNA-Analyse von Tumor-DNA im Blut lagen nach sieben Tagen vor, nach Gewebeanalyse aber erst nach 23 Tagen.
Das machte auch einen Unterschied in der Behandlung aus. 23 Prozent der Patienten mit Karzinomdiagnose aus dem Blut bekamen schnell eine zielgerichtete Therapie aufgrund von spezifischen Mutationen in den Tumorzellen noch bevor die Resultate der Gewebeuntersuchungen vorlagen. Etwa die Hälfte davon wies Zellmutationen aus, anhand derer eine spezifisch wirksame Behandlungsform ausgewählt werden konnte. Bei Menschen mit dringendem Therapiebedarf erscheine damit die Flüssigbiopsie für eine schnelle Diagnose und eine schnelle Therapieentscheidung gut geeignet, betonten die Experten.