Seitdem Elon Musk von dem Medikament buchstäblich geschwärmt hat, ist der Hype zumindest in den USA ziemlich grenzenlos. Der ursprünglich für die Behandlung von Diabetes entwickelte Wirkstoff Semaglutid gilt als "Gamechanger" auch in der Adipositas-Therapie. In absehbarer Zukunft dürfte es nicht nur zum Injizieren, sondern auch als Tablette verfügbar sein.
Semaglutid hat in den vergangenen Monaten weltweit für Aufsehen gesorgt – wir haben hier darüber berichtet. Der Wirkstoff führt zu einem Sättigungsgefühl und zu einer langsameren Magenentleerung. Als einmal wöchentlich unter die Haut (subkutan) applizierbare Injektion führt das Arzneimittel bei Typ-2-Diabetikern zur erwünschen Blutzuckersenkung und zu einer Reduktion des mittelfristig aussagekräftigen Wertes für die Blutzuckerkontrolle (HbA1c) um 1,2 bis 1,8 Prozentpunkte. Gleichzeitig wurde in klinischen Studien aber auch ein Abnehmeffekt von minus 15 Prozent des Körpergewichts nachgewiesen.
Die Gewichtsreduktion hat in den USA zu einem veritablen Semaglutid-Hype geführt. In den Vereinigten Staaten kam es sogar zu Versorgungsengpässen für Diabetiker durch den Off-Label-Gebrauch des Medikaments als Abnehmmittel. Das schlug auch bis nach Europa durch, "Aktuell haben wir einen Lieferengpass bei einem Diabetes-Medikament, bei Semaglutid, weil man gemerkt hat, das kann man auch zum Abnehmen nutzen", sagte vor Kurzem David Francas, Professor für Daten- und Lieferkettenanalyse an der Hochschule Worms in Deutschland. "Das wird gehypt, und plötzlich hat man einen Off-Label-Use für das Medikament, der auch die Nachfrage treiben kann."
Wirkstoff in Europa seit 2018 zugelassen
Der Wirkstoff ist in Europa seit 2018 als Diabetes-Medikament zugelassen, um den Blutzuckerspiegel zu senken. Neuer, von Anfang 2022, ist eine Zulassung in der EU speziell mit dem Einsatzgebiet Gewichtsverlust und -kontrolle unter einem anderen Markennamen. Gedacht ist es für Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) ab 30, also Adipositas, und für Übergewichtige (BMI ab 27) mit mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung. Vorerst war das Arzneimittel als medikamentöse Abnehmhilfe in europäischen Staaten aber noch gar nicht erhältlich.
Doch jetzt scheint die nächste Stufe der Entwicklung erreicht zu sein: Während Semaglutid zunächst nur in einer Form zum Injizieren unter die Haut verfügbar war, hat der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk mittlerweile auch eine Version in Tablettenform entwickelt. Gerade für Menschen mit Adipositas würde das natürlich die Einnahme viel einfacher machen.
Daten zur "Abnehmpille"
Die wissenschaftlichen Daten sprechen laut Novo Nordisk offenbar dafür. "In einer Studie, in die fast 700 Erwachsene mit Adipositas oder Übergewicht aufgenommen worden waren und die täglich eine Tablette Semaglutid einnahmen, kam es zu einem Gewichtsverlust um 15,1 Prozent im Vergleich zu 2,4 Prozent mit einem Placebo über einen Beobachtungszeitraum von 17 Monaten hinweg", schrieb der Pharma-Informationsdienst "Fierce" vor Kurzem. Das entspräche ziemlich genau dem Abnehmeffekt, der auch für die injizierbare Form des Medikamentes in klinischen Studien belegt worden ist. Die häufigsten – moderaten – Nebenwirkungen sind gastrointestinale Probleme, zum Beispiel Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Hinzu kommt offenbar auch ein potenziell erhöhtes Risiko für Netzhautschäden bei Diabetikern.
Die Angelegenheit hat auch eine wirtschaftliche Seite: Novo Nordisk, jenes europäische Pharmaunternehmen, das vor rund hundert Jahren mit Insulin die erste Möglichkeit zur ursächlichen Behandlung von Typ-1-Diabetes geschaffen hat, war laut "Fierce Pharma" dank Semaglutid bereits extrem erfolgreich. Es steigerte seinen Umsatz innerhalb eines Jahres um rund ein Viertel.
Mittlerweile hat das ebenfalls seit Jahrzehnten im Diabetes-Bereich aktive US-Unternehmen Eli Lilly eine kompetitive Studie in Sachen medikamentöser Adipositas-Therapie gestartet. Sein GLP-1-Wirkstoff Tirzepatid soll mit Semaglutid verglichen werden. Der dänische Konzern will jedenfalls sein Abnehmmedikament in Tablettenform noch in diesem Jahr in den USA und in der EU zur Zulassung einreichen. Der diesbezügliche Markt ist riesig. Laut Statistik Austria (Daten aus 2019) sind 16,5 Prozent der Österreicher adipös (Body-Mass-Index; BMI über 30).