Von allen Covid-19-Erkrankten entwickelt ein Teil Symptome, die als Post-Covid-Syndrom bezeichnet werden. Die Ursachen sind noch immer nicht ganz klar. Ein deutsch-österreichisches Forscherteam hat jetzt in Vergleichsuntersuchungen bei Betroffenen eine typische immunologische Charakteristik herausgefunden. Das körpereigene Abwehrsystem gerät offenbar längerfristig aus dem Lot. Andere Studien sind bereits zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.
"Symptome, die nach einer schweren Sars-CoV-2-Infektion länger als zwölf Wochen anhalten, werden als Post-Coronavirus(Covid)-Syndrom (PCS) bezeichnet. Die Identifizierung neuer Biomarker zur Vorhersage seines Auftretens oder dessen Verlaufes wären entscheidend", schrieben Max Augustin von der Universitätsklinik für Innere Medizin der Universität Köln und seine Co-Autoren, unter ihnen der Wiener Infektiologe Christoph Wenisch (Klinik Favoriten) in "Frontiers in Medicine".
Bei fast 700 Millionen Menschen, welche während der Covid-19-Pandemie weltweit erkrankt sind, kommt nach den Wellen akuter Infektionen Konsequenzen wie Long Covid bzw. dem Post-Covid-Syndrom enorme Bedeutung zu. In der aktuellen deutschen Expertenleitlinie wird die Häufigkeit längerfristig bestehend bleibender Symptome so beschrieben: "Allen Studien gemeinsam ist: Es scheint ein nennenswerter Anteil der Covid-19-Patienten betroffen zu sein. Am Anfang sind es ca. zehn bis 15 von hundert symptomatisch Erkrankten, nach acht Wochen noch ca. fünf und nach zwölf Wochen noch gut zwei von hundert." Alle Angaben zu Häufigkeiten seien jedoch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass insgesamt zehn bis 20 Prozent der Covid-19-Betroffenen in irgendeiner Form länger anhaltende Folgen der Infektion verspüren.
Die möglichen Ursachen für Post-Covid
Das deutsch-österreichische Forschendenteam hat sich an die möglichen Ursachen für Post-Covid herangemacht. Sie beobachteten die immunologischen Parameter von drei Gruppen von Personen zwischen April 2020 und Dezember jenen Jahres: 16 Probanden hatten nach Genesung von der akuten SARS-CoV-2-Infektion ein Post-Covid-Syndrom entwickelt (nach sechs Wochen und sieben Monaten). Weitere 16 Erkrankte wiesen weder nach sechs Wochen noch nach sieben Monaten derartige längerfristige Probleme (Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Geruchs- und Geschmacksstörungen etc.) auf. Eine dritte Kontrollgruppe bestand aus zehn Nicht-Infizierten. Alle Probandinnen und Probanden waren nicht geimpft, was zu dem damaligen Zeitpunkt (April bis Dezember 2020) noch nicht möglich war.
Die Experten untersuchten im Labor mehrfach Status und Subtypenverteilung von Immunzellen und andere Parameter. So wurden im Blut der Probanden auch die Konzentrationen an Immunbotenstoffen (Zytokinen) gemessen. Es zeigte sich dabei, dass bei PCS-Betroffenen offenbar das Immunsystem längerfristig aus dem Lot gerät. Die Wissenschafter: "Patienten mit PCS wiesen bereits nach sechs Wochen sowie auch sieben Monate nach Auftritt der Symptome eine erhöhte Zahl von auf SARS-CoV-2 spezifisch reagierenden CD4-positiven und CD8-positiven T-Lymphozyten auf, die Interferon Gamma und Tumornekrosefaktor freisetzen."
Anhaltend hohe Aktivierung des Immunsystems
Gleichzeitig hatten diese Zellen auch das sogenannte CD40-Liganden-Oberflächenmolkül als Marker. Insgesamt spricht das für eine anhaltend hohe Aktivierung des Immunsystems. Erhöhte Tumornekrosefaktor-Werte im Blut gelten auch als Merkmal von entzündlichen Prozessen. Auch sogenannte dendritische Zellen, welche zum Beispiel Antigene aufnehmen und dem Abwehrsystem präsentieren oder für Entzündungsreaktionen wichtig sind, wurden bei den PCS-Betroffenen verstärkt registriert. "Bemerkenswert" sei aber auch, dass Immunzellen, welche Abwehrreaktionen bremsen sowie das solche Abläufe dämpfende Zytokin Interleukin-4 ebenfalls vermehrt gefunden wurden. Letzteres bremst Entzündungsreaktionen.
Die Arbeit, so die Autoren, beschreibe jedenfalls Veränderungen der immunologischen Situation bei Personen, welche Covid-19 mit oder ohne daraus folgenden längerfristigen Gesundheitsproblemen überstanden hätten. "Das könnte ein Potenzial für zukünftige epidemiologische Forschungen und zielgerichtete Therapien haben", heißt es in der Zusammenfassung. Insgesamt zeigten sich aber Hinweise darauf, dass sich die veränderten immunologischen Parameter bei den Post-Covid-Syndrom-Betroffenen mit der Zeit wieder abnahmen.