Kiana ist 18 Jahre alt und leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, starken Depressionen und weiteren psychischen Krankheiten, die sie für sich behalten will. Ausgelöst durch familiäre Probleme, hat sie bereits mit elf, zwölf Jahren angefangen, sich selbst zu verletzen. In der Coronapandemie hat sie für sich eine Zuflucht gesucht – und sie vermeintlich in Alkohol und chemischen Drogen gefunden.

Der Wunsch gehört zu werden

Ende 2021 ist Kiana das erste Mal wegen einer Überdosis in eine Klinik eingeliefert worden. Obwohl sie von den meisten Pflegerinnen und Pflegern gut behandelt worden ist, bleiben auch schlechte Erinnerungen zurück. "Andererseits gab es auch Pfleger, die mich extrem scheiße behandelt haben und den Aufenthalt wie eine Strafe gepflegt haben", erzählt die Wienerin. Bei den Gedanken an ihren Erstkontakt mit dem österreichischen Gesundheitssystem kommen ihr die Tränen. 

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Während ihrer Aufenthalte hat sich Kiana sehr einsam gefühlt. In dieser Zeit ist sie mit ihren Gedanken und mit sich selbst alleine gelassen worden. "Bis zu meiner Einweisung habe ich mich quasi mit Drogen selbst medikamentiert. In der Klinik war ich meiner Vergangenheit plötzlich ausgeliefert." Wenn sie Hilfe benötigt hat, hätte sie nur Medikamente bekommen. Was ihr in dieser Zeit gefehlt hat, waren Gespräche, dass sich jemand hinsetzt und ihr zuhört. 

Kiana L. wünscht sich Veränderung im Gesundheitssystem
Kiana L. wünscht sich Veränderung im Gesundheitssystem © Change for the Youth

"Was machst du schon wieder hier?"

In den letzten Monaten geht es Kiana besonders schlecht. Ihre Freunde haben daraufhin zwei Tage hintereinander den Rettungswagen gerufen. Am ersten Tag ist sie über Nacht in der Klinik geblieben und in der Früh entlassen. "Damit habe ich mich gut abgefunden. Dann wurde ich aber wieder hingefahren, weil es mir so scheiße ging. Ich habe dann zuhören bekommen: 'Was machst du schon wieder hier?'", erzählt die 18-Jährige. Mit Medikamenten ist sie dann wieder nach Hause geschickt worden. Einige Tage versucht Kiana dann, Suizid zu begehen, was sie für längere Zeit in den Rollstuhl bringt. 

Psychische Belastungen bei Jugendlichen nehmen zu 

Laut dem am 08. November 2022 in der Zeitschrift "neuropsychiatrie" erschienenen Artikel "Stationäre Versorgung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie – wer hat Platz?" gibt es (stand Juni/2022) 437 vollstationäre und 138 tagesklinische Plätze für 1,64 Mio. Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren. Zusätzlich waren im Juni 2022 österreichweit 40 Betten wegen Personalmangels geschlossen und 26,5 Ausbildungsstellen unbesetzt. Damit seien die 2017 vom Österreichischen Strukturplan Gesundheit festgelegten Planungsrichtwerte nicht erfüllt worden. 

"Sowohl international als auch in Österreich gibt es eine deutliche Zunahme an depressiven Zustandsbildern, Angststörungen und Essstörungen – vor allem bei 15- bis 25-Jährigen", erzählt Paul Plener, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH Wien, in einem Kleine-Zeitung-Interview 2022. Laut Plener ist durch das Ausbleiben sozialer Kontakte ein wesentlicher Teil des Lebens von Jugendlichen weggefallen, die sich dadurch immer mehr zurückgezogen haben und in eine Abwärtsspirale gerutscht sind. 

Paul Plener, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH Wien
Paul Plener, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH Wien © (c) feel image – FotografieFotos: Felicitas Matern

"Change for the Youth" fordert Änderungen im Gesundheitssystem 

Damit andere nicht das Gleiche wie sie durchleben müssen, haben Kiana und einige ihre Freunde jetzt die Bewegung "Change for the Youth" ins Leben gerufen. Nach nur wenigen Tagen verzeichnet ihre Instagram-Seite bereits über 1000 Followerinnen und Follower. "Uns haben sehr viele Leute ihre Erfahrungen und Fotos von Körperverletzungen geschickt", schildert Kiana. Für die Jugendlichen ist das ein Zeichen, dass es Veränderung im österreichischen Gesundheitssystem braucht.

Zum einen fordert "Change for the Youth" eine bessere Bezahlung von Ärztinnen und Ärzten. "Wir wollen, dass das Gesundheitssystem nicht kaputt gespart wird, sondern dass die Psychiatrien ausgebaut werden", erklärt Kiana. Dabei soll es auch mehr spezifische Plätze für zum Beispiel Essstörungen geben. Auch die Ersteinschätzungen von Patientinnen und Patienten sollen besser werden. Außerdem sollen Medikamente nicht mehr "wie Smarties" ausgegeben werden. "Wir wollen auch eine bessere Einschätzung, was Fixierungen der Patienten angeht, weil das auch sehr traumatisierend sein kann." Zudem fordern sie mehr Kassenplätze. 

Am 15.04. wollen die Jugendlichen in Wien für eine Besserung im Gesundheitssystem demonstrieren
Am 15.04. wollen die Jugendlichen in Wien für eine Besserung im Gesundheitssystem demonstrieren © Change for the Youth

Erst am Anfang

Die Bewegung stehe erst am Anfang. Um ihre Forderungen laut zu machen, organisieren sie am 15. April 15.04. um 13:00 Uhr am Christian-Broda-Platz eine Demo in Wien. Unterstützung bekommen die Jugendlichen unter anderem von den Schülervertretern von "Verde" oder von den "Jungen Linken". Auch Paul Plenke wird sich mit den Initiatorinnen und Initiatoren nächsten Dienstag treffen. 

Kiana will später selbst im Sozialbereich arbeiten. "Ich möchte wahrscheinlich mit obdachlosen Menschen arbeiten. Auf jeden Fall auch Menschen helfen, vielleicht auch psychisch kranken Menschen."